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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo
Autoren: bach
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war. Stimmen mischten sich hinein, dunkler Singsang, aus dem immer wieder schrille Rufe aufstiegen, die vielstimmig beantwortet wurden.
    » Ich fürchte, die Gruppe der Bedächtigen hat sich nicht behaupten können. Die jungen Krieger glauben an die dawa vom Rufiji-Fluss…«
    Erst jetzt bemerkte Charlotte den unangenehmen Geruch. Eine kleine Schale stand dicht am Eingang, und obgleich George sein Halstuch darübergelegt hatte, war sie von allerlei Insekten umschwärmt.
    » Sie haben uns die Reste ihres Mahls gebracht und auch etwas zu trinken. Hier.«
    Er griff hinter sich und reichte ihr eine kleine Kalebasse, in der dieses Mal angenehm frisches Wasser war. Die Mahlzeit roch jedoch so ekelhaft, dass Charlotte trotz ihres Hungers nichts davon essen wollte.
    » Versuch es. Wir haben gestern den ganzen Tag gefastet und werden unsere Kräfte noch brauchen.«
    Die Schüssel war aus einer halbierten Kokosnuss gefertigt, der Inhalt bestand aus einer fettigen Flüssigkeit, in der dunkle, undefinierbare Brocken schwammen. Es roch nach Yamswurzel und Ziegengedärm, was noch darin war, wollte sie besser nicht wissen.
    » Bleib dort sitzen, und tu so, als würdest du essen.«
    » Ich kann das Zeug nicht herunterbringen, George. Ich bin kein Waldläufer wie du und habe niemals in der Sahara Heuschrecken verspeist…«
    » Du sollst ja auch nur so tun. Ich werde derweil versuchen, diese Lehmwand zu lockern.«
    Er hatte sich einen kräftigen Stock aus dem Gezweig herausgebrochen und machte sich damit im Hintergrund der Hütte zu schaffen. Charlotte begriff. Während er versuchte, einen Fluchtweg zu schaffen, sollte sie die Lage so unauffällig wie möglich im Auge behalten. Plötzlich fing ihr Puls vor Aufregung an zu rasen– es war so weit. Sie würden handeln. Die einzige Chance wahrnehmen, die sie hatten. Und auf das Glück hoffen.
    Sie starrte auf die vorbeiziehenden Schatten, die sich zum Rhythmus der Trommeln bewegten, auf- und niedersprangen, die Arme fest an den Körper gepresst, die Beine geschlossen. Das wirbelnde Metrum hatte sie in eine Art Trance versetzt, sie tanzten ohne eigenes Bewusstsein, füllten sich mit Energie, die sich im gemeinsamen Tanz vervielfachte. Was würde geschehen, wenn der Höhepunkt dieser Zeremonie überschritten war? Würden sie dann in Schlaf fallen? Oder war es möglich, dass sie unter der Wirkung der hochgepeitschten Kampfbereitschaft darangingen, ihre Geiseln hinzurichten?
    Durch die Trommelschläge hindurch vernahm sie Georges beharrliches Schaben, ab und zu ächzte er leise vor Anstrengung, Staub wirbelte auf, und es roch nach trockenem Ziegendung. Manchmal rollte ein Lehmbrocken zu ihr hinüber. Die Wände der Hütte waren lange nicht mehr ausgebessert worden, hatten Risse und Spalten bekommen. George hustete, und sie hörte ihn fluchen.
    » Was ist? Soll ich dir helfen?«
    » Zieh ganz behutsam einen kräftigen Ast heraus. Dieser ist zerbrochen.«
    Vorsichtig untersuchte sie das Gittergewirr am Eingang. Sie fand einen geeigneten Ast, doch sie musste ihn zerbrechen, sonst hätte sie ihn nicht herauslösen können. Zum Glück würden es die Schwarzen wegen ihrer Trommeln nicht hören.
    George arbeitete fieberhaft. Charlotte stockte der Atem, als sie durch die Bresche in der Lehmwand die Mondsichel erblickte, schmal wie ein gebogenes Fädchen. Der Nachthimmel würde ihren Fluchtweg nur wenig erhellen, aber auch den Verfolgern nicht viel helfen. Zumindest der Mond war ihr Verbündeter.
    » Was tun sie?«
    » Sie tanzen noch. Aber ich glaube, die Zahl der Tänzer ist geringer geworden…«
    » Ich versuche es jetzt, Charlotte. Viel weiter kann ich das Loch nicht öffnen, die hölzernen Stangen in der Wand sind eng gesetzt.«
    Sie spürte, wie ihr Herz gegen den Rhythmus der Trommeln anhämmerte. Wenn sie jetzt entdeckt wurden, war alles aus. Die Bresche war so schmal, dass George mit den Beinen zuerst hindurchstieg und sich dann mühsam nach draußen zwängte. Charlotte folgte ihm, ohne abzuwarten, was weiter geschah; wenn man sie erwischte, wollte sie wenigstens bei ihm sein. Endlich hatte sie es geschafft, George fasste ihre Hand und zog sie mit sich fort. Schemenhaft waren die dunklen Formen der Hütten zu erkennen, als sie daran vorüberschlichen, bemüht, die Füße so leise wie möglich aufzusetzen. Charlotte verspürte keine Erschöpfung mehr, keinen Schmerz. Nur Georges Hand war wichtig, seine Orientierung, auf die sie sich verließ, das Glück, das sie jetzt nötiger brauchten als
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