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Castle 1 - Castle, R: Castle 1

Castle 1 - Castle, R: Castle 1

Titel: Castle 1 - Castle, R: Castle 1
Autoren: Richard Castle
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EINS
    Wenn sie an einem Tatort eintraf, um sich die Leiche anzusehen, lief alles immer gleich ab. Sie schnallte ihren Sicherheitsgurt los, zog einen Stift aus der Gummihalterung am Sonnenschutz und ließ ihre langen schlanken Finger über ihre Hüfte gleiten, um nach ihrer Dienstwaffe zu tasten, die ihr ein Gefühl der Sicherheit gab. Und dann hielt sie jedes Mal inne. Nicht lange. Nur einen langsamen tiefen Atemzug lang. Das war alles, was sie brauchte, um sich an die eine Sache zu erinnern, die sie niemals vergessen würde. Eine weitere Leiche wartete auf sie. Sie atmete ein. Und als sie die ausgefransten Ränder des Lochs spüren konnte, das man in ihr Leben gerissen hatte, war Detective Nikki Heat bereit. Sie öffnete die Autotür und machte sich an die Arbeit.
    Die Hitze, die ihr entgegenschlug, hätte sie beinahe wieder zurück in den Wagen taumeln lassen. Draußen herrschten fast vierzig Grad. New York war ein Schmelzofen, und der weiche Asphalt auf der Siebenundsiebzigsten Straße West gab unter ihren Füßen nach, wodurch es sich so anfühlte, als liefe sie über nassen Sand. Heat hätte es sich einfacher machen und näher am Tatort parken können, doch das war ein weiteres ihrer Rituale: der Weg zum Ort des Geschehens. An jedem Tatort fand man eine gewisse Art von Chaos vor, und diese sechzig Meter Fußweg boten ihr die einzige Gelegenheit, einen eigenen, unverfälschten Eindruck von der Situation zu gewinnen.
    Dank der nachmittäglichen Hitze war der Bürgersteig so gut wie leer gefegt. Das hektische Gedränge der Mittagspause war vorbei, und die Touristen kühlten sich entweder im Naturkundemuseum auf der anderen Straßenseite ab oder hatten Zuflucht bei Starbucks gesucht. Dort nahmen sie dann eisgekühlte Getränke zu sich, die nur deshalb besonders ausgefallen klangen, weil sie alle auf einen Vokal endeten. Ihre Verachtung für die Kaffeetrinker löste sich jedoch schnell auf und wurde durch das Vorhaben ersetzt, sich auf dem Weg zurück zum Revier selbst ein solches Getränk zu besorgen. Schräg vor sich bemerkte sie einen Portier, der offenbar zu dem Wohngebäude gehörte, das sich direkt neben dem mit Absperrband versehenen Straßencafé befand. Er hatte seine Mütze abgenommen und saß mit dem Kopf zwischen den Knien auf den ausgetretenen Marmorstufen. Im Vorbeigehen sah sie nach oben zu dem jägergrünen Baldachin, um den Namen des Gebäudes zu lesen: The Guilford.
    Kannte sie den uniformierten Polizisten, der ihr zulächelte? Im Kopf ging sie blitzschnell eine Reihe Gesichter durch, hörte jedoch damit auf, als ihr klar wurde, dass der Kerl sie nur anbaggern wollte. Detective Heat erwiderte das Lächeln und öffnete ihren Leinenblazer, um ihm etwas zu bieten, wovon er träumen konnte. Sein Gesicht wurde sofort ernst, als er die Marke an ihrem Hosenbund sah. Der junge Polizist hob das gelbe Absperrband an, damit sie sich darunter hindurchducken konnte. Als sie sich auf der anderen Seite aufrichtete, erwischte sie ihn dabei, wie er sie schon wieder angaffte, daher konnte sie nicht widerstehen. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, sagte sie. „Ich kümmere mich um meinen Hintern, und Sie kümmern sich um die schaulustige Menge.“
    Detective Nikki Heat ging an dem verwaisten Empfangspult des Straßencafés vorbei und betrat den Tatort. Sämtliche Tische des
La Chaleur Belle
waren unbesetzt, mit Ausnahme des einen, an dem Detective Raley aus ihrem Dezernat mit einer bestürzten Touristenfamilie saß, deren Mitglieder allesamt einen Sonnenbrand im Gesicht hatten und verzweifelt versuchten, sich irgendwie verständlich zu machen. Auf ihrem unangetasteten Mittagessen tummelten sich die Fliegen. Einige Spatzen, die sich eine solche Gelegenheit ebenfalls nicht entgehen lassen wollten, lauerten auf den Stuhllehnen und stürzten sich immer wieder mit kühnen Flugmanövern auf die Pommes frites. An der Tür zur Küche stand Detective Ochoa. Er sah von seinem Notizblock auf und nickte ihr knapp zu, während er eine Aushilfskraft in einer weißen Schürze voller Blutspritzer befragte. Die anderen Kellner befanden sich an der Bar im Inneren des Cafés und genehmigten sich nach dem Schreck erst einmal einen Drink. Heat ließ den Blick zu der Stelle schweifen, an der die Gerichtsmedizinerin kniete, und konnte es ihnen nicht verdenken.
    „Männlicher Unbekannter, keine Brieftasche, kein Ausweis, schätzungsweise zwischen sechzig und fünfundsechzig Jahre alt. Hinweise auf heftige stumpfe Gewalteinwirkung an
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