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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo
Autoren: bach
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Es scheint zwei Parteien unter ihnen zu geben, und ich vermute, dass einige Stammesmitglieder zur Vorsicht raten. Sie haben zwar die Missionsstation niedergebrannt, aber niemanden getötet.«
    » Und weshalb haben sie uns hierhergeschleppt? Als Geiseln?«
    » Ich kann mir keinen anderen Grund denken.«
    Sie konnte sein Gesicht kaum erkennen, und sie war froh darüber. Es war nicht George, an den sie sich jetzt vertrauensvoll lehnte, der ihre Schulter rieb, mit ihrem Haar spielte. Es war ein guter Freund, der einzige und beste, den sie hatte. Der in dieser schrecklichen Lage an ihrer Seite war, die gleiche tödliche Gefahr vor Augen hatte und dennoch versuchte, ihr Trost und Hoffnung zu spenden.
    » Wieso haben sie gerade uns ausgesucht? Weil wir nicht zur Mission gehören?«
    » Vielleicht«, gab er leise zurück, und sie spürte seinen Atem an ihrem Ohr. » Aber möglicherweise auch deshalb, weil wir unverletzt sind und laufen können.«
    » Du bist nicht unverletzt, George. Was ist mit deinem Arm? Deinem Rücken? Lass mich nach den Wunden sehen.«
    Ein kleines Lachen erschütterte seinen Brustkorb. Wahrhaftig, er hatte die Stirn zu lachen, während jeden Augenblick ein grausiges Schicksal über sie hereinbrechen konnte.
    » Bin ich der Arzt oder du?«
    » Du kannst deinen eigenen Rücken nicht sehen, Doktor Johanssen!«
    » Du auch nicht– es ist zu dunkel.«
    Sie seufzte. Er hatte leider recht. Wieder überfiel sie die Erschöpfung; sie schloss die Augen, und ihr Kopf sank auf die Brust.
    » Hör zu, Charlotte. Die Kolonialregierung zieht alle verfügbaren Truppen in den Süden, um die Revolte, die sie schon den maji-maji- Aufstand nennen, niederzuschlagen. Sie werden mit Geschützen und Maschinengewehren gegen Pfeile und Lanzen kämpfen, und ich fürchte, der Ausgang dieses Gemetzels steht von vornherein fest. Mein Herz schlägt nicht auf der Seite der Kolonialherren, und doch wird es uns beiden übel ergehen, wenn wir zwischen die Fronten geraten.«
    Sie begriff, was er meinte. Die Wangindo würden nicht zögern, ihre Geiseln zu töten, wenn die deutschen Truppen sich näherten.
    » Wir müssen so bald wie möglich fliehen, Charlotte. Aber wir brauchen viel Glück. Misslingt die Flucht, wird es für uns keinen zweiten Versuch geben.«
    » Ich verstehe…«
    Der Geruch von gekochtem Fleisch drang in die Hütte, vermischt mit dem Duft nach Yamswurzel und Sesam. Niemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, ihnen Wasser oder etwas zu essen zu bringen. Aber möglicherweise dachte man erst an die Gefangenen, wenn alle anderen gesättigt waren.
    » Versuche zu schlafen«, sagte George. » Es ist das einzig Vernünftige, was du jetzt tun kannst.«
    Er zog sie enger an sich, und sie legte ihren Kopf in seinen Schoß.
    » Weck mich nach einer Weile, dann werde ich wachen, und du kannst dich ausruhen.«
    Er strich ihr sacht übers Haar, und sie rückte sich auf seinen sehnigen Beinen zurecht, die ihr kein bequemes Kopfkissen boten.
    » Keine Sorge– auch ich werde mich ausruhen. Aber ich schlafe wie ein alter Waldläufer– mit wachen Sinnen.«

Es regnete. Über ihr schlugen die Tropfen auf das Wellblechdach, sie hämmerten und hüpften, man konnte glauben, die ganze Wohnung würde dadurch erschüttert. Es war angenehm, im Bett zu liegen, in die weiche Decke gewickelt, und dem beharrlichen Trommeln des Regens zu lauschen. Auf der Rückseite des Hauses stürzten die Wasserfluten vom Dach, sammelten sich in breiten Pfützen und flossen dann in vielen kleinen Rinnsalen durch die Straßen von Daressalam zum Meer hinunter. Was für ein Lärm die dicken Tropfen machten. Sie prasselten dicht an dicht auf das blecherne Dach, der Boden erzitterte, man konnte Kopfschmerzen davon bekommen…
    » Klara? Kannst du auch nicht schlafen?«
    Jemand strich ihr über die Wange. Das war nicht Klara. Das war auch nicht ihre kleine Wohnung in der Inderstraße. Sie öffnete die Augen und blickte in Georges Gesicht, das sich im gelblichen Dämmerlicht über sie beugte.
    » Schau einmal an, wie gut du geschlafen hast. Du hast sogar geträumt, hm?«
    Seine Stimme klang zärtlich und ein wenig erheitert. Mit einer erschrockenen Bewegung richtete sie sich auf, und die Wirklichkeit stürzte dumpf und schwer über sie herein. Durch die verschlungenen Äste vor dem Hütteneingang flackerte rötlich-gelber Feuerschein, Trommeln wurden geschlagen, ein seltsam wilder, sich steigernder und wieder abfallender Rhythmus, der bis in ihren Traum gedrungen
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