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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo
Autoren: bach
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jemals zuvor.
    Die Hügel waren kahl bis auf ein paar dürre Sträucher, die ihnen keine Deckung gaben. In geduckter Haltung stiegen sie aus der Talsenke bergan, hörten ihren eigenen, raschen Atem, sahen die flackernden Feuerstellen, die tanzenden Gestalten, die mächtige Tamarinde zwischen den Hütten wie eine geballte, dunkle Wolke. Auf der Kuppe des Hügels legten sie sich flach auf die Erde und krochen voran, bis sie die andere Seite erreicht hatten.
    Nichts hatte darauf hingedeutet, dass die Wangindo ihre Flucht bemerkt hatten. Doch selbst wenn sie erst nach Stunden feststellten, dass ihre Geiseln entwischt waren– sie waren rasche Läufer und kannten die Umgebung. Im lichten Buschwerk und in der ausgedörrten Savanne konnte man sich nur schwer vor ihnen verbergen.
    Sie liefen schweigend hintereinander her, George fasste immer wieder nach ihrer Hand, damit sie einander in der nächtlichen Dämmerung nicht verloren. Unter dem schwarzen, sternenbesäten Himmel zeichneten sich schattenhaft die Hügel ab, gelegentlich tauchte die bizarre Form einer Schirmakazie oder ein heller Gesteinsbrocken vor ihnen auf, einmal sogar der gewaltige Stamm eines Baobab, mächtig wie ein Geist, die knorrig gewundenen Äste wie verschlungenes Wurzelwerk zum dunklen Himmel gestreckt. Immer wieder blieb George stehen, um zu lauschen. Charlotte kannte die Stimmen der nächtlichen Savanne, das beharrliche Sirren der Grillen, das seltsame Lachen der Hyänen, die grunzenden, schnarrenden, schnaufenden Laute, auch das Brüllen der Raubtiere, die in der Kühle der Nacht ihre Beute suchten. Sie waren völlig schutzlos, außer dem Stock in Georges Hand stand ihnen keine Waffe zur Verfügung. Unsichtbare Wesen bewegten sich in ihrer Nähe, sahen sie mit nachtscharfen Augen an, Halme knisterten, trockene Stängel brachen, manchmal vernahmen sie das Geräusch erschreckter Hufe auf eiliger Flucht. Als sie auf frischen Elefantendung stießen, änderten sie die Richtung in der Hoffnung, die Herde zu umgehen.
    Die Küste lag im Osten; wenn es ihnen gelingen sollte, Kilwa oder einen der nahe gelegenen Orte zu erreichen, waren sie gerettet. Aber wie sollten sie in der Nacht die Himmelsrichtungen erkennen? Wie im Gewirr der kahlen Hügel und schmalen Taleinschnitte überhaupt eine Richtung einhalten?
    Als die ersten Sterne verblassten, erklommen sie die Kuppe einer Erhebung, und George umfasste ihre Schultern. Triumphierend streckte er den Arm aus.
    » Der Fluss!«, wisperte er.
    Sie starrte in die Dämmerung und erkannte im grauen Talgrund ein unregelmäßiges, dunkles Band, das sich durch die ausgetrocknete Erde zog wie der Körper einer riesigen Schlange. Schatten bewegten sich an seinen Rändern, die sie zuerst für Gebüsch gehalten hatte, doch es waren Tiere, die im Wasser standen und tranken.
    » Was für ein Fluss?«
    » Wahrscheinlich der Mandandu. Wenn nicht, ist es auch gleich. Er fließt auf jeden Fall zur Küste.«
    » Wir müssen also nur seinem Lauf folgen.«
    » In sicherer Entfernung– ja.«
    Löwengebrüll war zu hören, das dumpfe Hämmern fliehender Hufe, dann der kurze, jammervolle Todesschrei eines sterbenden Gnus– dort unten am Fluss regierten die Jäger.
    Sie stießen auf eine Gruppe niedriger Felsen, schrundiges Gestein, von Wind geformt, das wie eine Herde schlafender Tiere aus dem Boden ragte.
    » Hoffen wir, dass es nicht der Lieblingsplatz der Löwen ist«, murmelte George. » Aber so haben wir wenigstens Deckung und im Notfall einen Schutz im Rücken.«
    Sie lagerten dicht am Fels und teilten sich den Rest Wasser aus der Kalebasse, die George mitgenommen hatte. Im Osten hellte der Himmel auf, die graue Savannenlandschaft färbte sich langsam gelbbraun, jetzt erkannten sie einsame Akazien und flache Felsen; die gewundene Schlange des Flusses schmückte sich mit blauen Wasserstellen, braunem Schlamm und blassgrünem Buschwerk. Als die aufgehende Sonne über den ausgedörrten Erdboden flammte, fielen Charlotte die Augen zu. Sie schlief halb im Sitzen, den Rücken an den Fels gelehnt, den Kopf an Georges Schulter.
    Wie lange hatte sie geschlafen? Der ziehende Schmerz in ihren Füßen weckte sie. Zusammengekauert lag sie im schmalen Schatten des Felsens, unter ihrem Kopf ein Polster, das sich als Georges zusammengerollte Jacke herausstellte. Nichts war zu hören außer dem Summen der Insekten.
    » George?«
    » Beweg dich nicht.«
    Er hockte unweit von ihr auf dem Boden, den Rücken dicht an den Fels geschmiegt, und deutete
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