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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo
Autoren: bach
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mit dem Finger zum Fluss. Sie erschrak. Eine große Anzahl schwarzer Krieger lagerte an einer breiteren Ausbuchtung des Wasserlaufs. Sie tranken und füllten ihre Kalebassen, doch ein einziger scharfer Blick hätte ihnen die Gegenwart der Weißen oben zwischen den Felsen offenbart.
    » Sie suchen nicht nach uns«, flüsterte George. » Es muss ein anderer Stamm sein. Ngoni oder Donde vielleicht.«
    Wie erstarrt blieb Charlotte liegen und wagte kaum, den Kopf zu heben. Nur der Schatten des Felsens verbarg sie vor den Augen dieser kriegerischen Eingeborenen. Ihr dunkles Kleid würde nicht auffallen, doch Georges zusammengerollte Jacke war aus hellem Stoff, wenn auch inzwischen ziemlich staubig und voller Flecken.
    Minuten dehnten sich ins Unendliche. Sie konnten nichts, aber auch gar nichts tun, jede Bewegung, jeder Fluchtversuch hätte ihre Anwesenheit offenbart. Schweigend blickten sie auf die Männer, verfolgten ihr Tun und hielten den Atem an, während sie auf ihren eigenen Herzschlag lauschten.
    Die Krieger lösten sich nach und nach vom Flussufer und zogen ganz in der Nähe der Felsen in einer langen Reihe hügelan nach Norden. Auch jetzt hätten sie die beiden Weißen leicht entdecken können, doch ein helfender Geist schien George und Charlotte vor ihren Augen zu verhüllen. Nichts geschah.
    Charlotte tat einen tiefen Atemzug, um die Anspannung zu lösen, George fuhr sich mit der Hand über die Stirn und verscheuchte eine zudringliche Fliege.
    » Wir werden wohl noch öfter auf solche Gruppen stoßen«, sagte er beklommen. » Sie ziehen tatsächlich in großer Zahl in den Kampf. Diese da hatten sogar Gewehre.«
    » Wie weit ist es wohl bis zur Küste?«
    » Vielleicht fünfzig Kilometer. Wenn wir uns beeilen, sind wir morgen Abend in Kilwa.«
    Er sagte es mit einem leichten Grinsen, in dem sich Zuversicht mit Selbstironie mischte. Sie besaßen weder Waffen noch Lebensmittel – eine leichte Beute für Raubtiere und feindliche Eingeborene–, George wies Verletzungen am Rücken auf, Charlottes Füße waren voller blutiger Wunden. Fünfzig Kilometer. Vielleicht auch mehr.
    » Zieh deinen Unterrock ganz aus, und reiß ihn in Streifen.«
    Sie drehte ihm den Rücken zu, während sie den Rock hob, um das Band des Unterrocks zu lösen. Sie brauchte sich vor ihm nicht zu schämen, er war schließlich Arzt, er wollte sie verbinden, das war etwas ganz Normales.
    Er verrichtete sein Werk schweigend und mit sanften Händen, sah dabei hin und wieder zur ihr auf, doch er blieb ernst.
    » Ich kann dich auch ein Stück tragen.«
    » Das fehlte noch, George Johanssen!«
    Der erste Schritt war höllisch, und sie sah, wie sein Gesicht zuckte, als spüre er selbst den Schmerz. Dann jedoch wurde es leichter, ein Gefühl der Taubheit stellte sich ein, und nach einer Weile lief sie neben ihm her, als habe sie nie wunde Füße gehabt.
    Unten am Fluss füllte er die Kalebasse für sie, dann gingen sie stromabwärts, wobei sie sich in einiger Entfernung zum Ufer hielten. Die afrikanische Sonne brannte ohne Erbarmen auf die trockene Erde herab, hatte sie in unregelmäßigen Mustern aufgebrochen und ließ rötliche Staubgeister aus ihrem Inneren aufsteigen. An manchen Stellen war der Flusslauf nur wenige Meter breit, im gelbbraunen Uferschlamm hatten Elefanten gewühlt und weiche Mulden hinterlassen. Träge, aber unaufhaltsam, floss das Wasser dem Ozean zu, und Charlotte hatte die verrückte Hoffnung, dass auch sie dort ankommen würden, solange dieses Wasser noch nicht versiegt war.
    Hatten sie zu Anfang noch sorgenvoll die Umgebung mit Blicken abgesucht, so wurden sie schließlich nachlässiger. Alles schien so friedlich. Hin und wieder tranken Gnus oder Zebras am Fluss, doch sie beachteten die Menschen wenig, nur das Leittier hob witternd den Kopf, bis sie vorübergegangen waren.
    George half ihr über schwierige Wegstellen hinweg, reichte ihr die Hand, manchmal machte er Scherze über ihre hübschen Schuhe, die längst die Farbe des rotgelben Staubes angenommen hatten. Eine seltsame, völlig aberwitzige Unbefangenheit ergriff sie. Sie lachte über seine Scherze, machte Witze über den stoppeligen Bart, der ihm inzwischen gewachsen war, und behauptete, er stehe ihm gut, weshalb er überhaupt glatt rasiert herumlaufe. Wegen der Damen in Daressalam? Die könne er sowieso nur mit einem aufgezwirbelten Schnurrbärtchen beeindrucken.
    » Runter!«
    Er riss sie in das lichte Ufergebüsch, hielt den Arm um sie und drückte sie fest an den
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