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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo
Autoren: bach
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dadurch besser geschützt und werde– so ihre große Hoffnung– auch üppiger wachsen. Ettje hatte dunkelblondes, flusiges Haar, das sie für die Nacht zu einem Zopf flocht; wenn sie es tagsüber offen trug, bündelte es sich zu schmalen Strähnen, die sie so oft bürsten konnte, wie sie wollte– sie kamen immer wieder.
    » Ich bin schon lange wach! Länger als du!«, prahlte Charlotte, während Klara neben ihr die Decke ein wenig herabschob und leise gähnte. Bei allem, was sie tat, war Klara leise wie ein Mäuschen, sogar wenn sie ging, machte sie kaum ein Geräusch. Das war seltsam, denn Klara hatte ein zu kurzes linkes Bein, auch der Fuß war nicht richtig, er war dick und gar nicht wie ein Fuß geformt.
    » Dann hättest du uns längst warmes Waschwasser aus der Küche holen können!«, versetzte Ettje vorwurfsvoll.
    » Wieso ich?«
    » Wieso nicht? Hast du gedacht, ich mach das jeden Tag für euch? Ich muss schon immer Klara alles beischleppen.«
    » Lass bloß Klara in Ruhe!«, versetzte Charlotte wütend.
    Sie stand aus dem Bett auf und wickelte sich Mamas blaues Wolltuch um das lange Nachthemd. Um den Waschkrug zu holen, musste sie über die hölzerne Reisekiste klettern. Darin befand sich die eigentliche Ursache für Ettjes schlechte Laune– es waren Charlottes hübsche Kleider, ihre Schuhe und die feine Wäsche, auch ihre Spielsachen, einige Bücher und ihre beiden Puppen. Solch teure Sachen hatte Ettje nie besessen, dazu war kein Geld da im Hause des pensionierten Pfarrers Dirksen, der seine verwitwete Tochter Fanny mit den drei Kindern durchfüttern musste.
    » Wenn ich das Wasser hole, darf ich mich als Erste waschen«, verkündete Charlotte fröhlich. » Und dann Klara. Du zuletzt, Ettje!«
    » Schlag bloß den Krug nicht an, und verschütte nichts, das gibt Flecken auf der Stiege!«, rief Ettje ihr nach und drehte sich auf die Seite, um die wohlige Schlafwärme ihres Bettes noch ein wenig zu genießen.
    Die Stiege war eng und dunkel, es roch nach Bohnerwachs und altem Holz und auch ein bisschen nach Großvaters Pfeifentabak. Charlotte hielt den Krug mit beiden Händen vor dem Bauch und ertastete die Stufen mit den bloßen Füßen, auf keinen Fall wollte sie das kostbare, mit lila Blüten bemalte Gefäß an Wand oder Treppengeländer anschlagen. Kein Wunder, dass Klara für diese Arbeit nichts taugte, sie hatte ja auch so schon Mühe, die Treppe hinunterzugehen.
    Unten im Flur war es ein wenig heller. Das kam durch das Oberlicht über der weiß gestrichenen Haustür, dafür zog es ordentlich, und der geflieste Boden war kalt. Auf der Flurkommode standen allerlei irdene Töpfe mit eingekochtem Mus und anderen Sachen. Die hatte die Großmutter wohl aus dem Keller geholt, denn die bunten Stoffe, mit denen sie bedeckt waren, trugen eine graue Staubschicht. Morgen war Pfingsten, da würde die Tante bestimmt einen Kuchen backen, vielleicht gab es sogar einen Braten.
    Zum Glück war die Küchentür nur angelehnt, sie öffnete sich knarrend, als das Mädchen mit dem bloßen Fuß dagegendrückte. Wärme und der beißende Geruch des Herdfeuers quollen ihr entgegen, es roch auch ein wenig nach Kaffee und gekochter Milch. Die Großmutter stand vor dem Ofen, hatte die runde Herdplatte abgehoben und stocherte im Feuer herum, dass die Funken aufstoben.
    » Dich Spatz haben sie geschickt?«, meinte sie und deckte das Feuer speiende Ungetüm im Ofen wieder mit der Eisenplatte zu. » Pass nur auf, dass du nicht auf der Stiege ins Stolpern kommst und mitsamt dem Krug herunterpurzelst!«
    » Ich kann das schon! Ist ganz leicht für mich!«, behauptete Charlotte beleidigt und stellte den Krug neben dem Herd auf den Küchenboden.
    » Na, denn man los!«
    Großmutter Grete nahm die Kelle und schöpfte heißes Wasser aus dem » Schiff« in den Krug hinein. Das Schiff war ein viereckiger Behälter im Herd, der höchstens einem jämmerlichen Kahn ähnlich sah, mit dem man auf dem Fluss herumrudern konnte. Ein richtiges Schiff wie das, das ihr Vater befehligte, war es auf keinen Fall, dazu war es viel zu plump.
    » Ach Gott, das schafft sie doch gar nicht«, ließ sich Tante Fanny vernehmen, die drüben am Küchentisch stand und Möhren schrappte. » Sie wird den Krug fallen lassen, Mutter. Es ist schade um das schöne Stück. Ich ruf mal fix nach Ettje…«
    » Lass sie nur«, entgegnete die Großmutter unbeirrt und goss kaltes Wasser nach. » Und werft Paul aus den Federn, ich glaub fast, der schläft bis Pfingstmontag
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