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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend
Autoren: Unknown
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Plötzlich an jenem Abend

    Nachdem ich aus der Armee entlassen worden war und ehe ich mich irgendwo festsetzte, sah ich mich erst ein bißchen um und fand schließlich Arbeit in der Gegend von Hampstead, und zwar in einer Autowerkstatt dicht bei Chalk Farm am Ende von Haverstock Hill. Es war genau das Richtige für mich. Ich hatte schon immer gern an Maschinen herumgebastelt, bei den Pionieren tat ich auch nichts anderes, besaß also Übung darin – ist mir auch immer alles leichtgefallen, was mit Maschinen zu tun hat.
    Ein angenehmes Leben hab ich mir immer so vorgestellt: in einem schmierigen Overall auf dem Rücken unter einem Auto oder Lastwagen liegen und mit einem Schraubenschlüssel einen alten Bolzen bearbeiten, Ölgeruch in der Nase, und um mich herum andere, von denen einer einen Motor rattern läßt, die andern vor sich hin pfeifen und mit ihren Werkzeugen klappern. Der Gestank und der Dreck haben mich nie gestört. Schon als Dreikäsehoch hab ich das gern gehabt; wenn ich mit einer rostigen Blechbüchse im Schmutz herumwühlte, pflegte meine alte Mutter immer zu sagen: »Das schadet ihm nicht, ist ja sauberer Dreck«; und das stimmt auch, wo es sich um Maschinen handelt.
    Mein Chef war ein netter Kerl, umgänglich und vergnügt, und er merkte auch, daß mir die Arbeit Freude machte. Er selbst war kein großartiger Mechaniker, darum schob er mir auch immer die Reparaturen zu, und gerade das machte mir am meisten Spaß.
    Ich wohnte nicht bei meiner alten Mutter, es war zu weit weg, draußen in Shepperton; es hatte keinen Sinn, den halben Tag mit Hin- und Herfahren zu vertrödeln. Ich hab's gern bequem, alles auf einem Fleck beisammen, sozusagen. Ich mietete mir ein Zimmer bei einem Ehepaar, Thompson hießen sie, von dort waren es nur zehn Minuten zur Werkstatt. Nette Leute waren es, diese Thompsons. Er hatte eine kleine Schuhmacherei, Flickschuster wäre wohl die richtige Bezeichnung für ihn, und seine Frau kochte das Essen und hielt die Wohnung in Ordnung, die über der Werkstatt lag. Ich war bei ihnen in Kost, Frühstück und Abendbrot – es gab immer ein warmes Gericht –, und da ich der einzige Mieter war, wurde ich wie ein Sohn behandelt.
    Ich bin für ein geregeltes Leben. Am liebsten tu ich meine Arbeit an einem Stück, und wenn Feierabend ist, mach ich mir's gern mit einer Pfeife und der Zeitung gemütlich, höre ein bißchen Musik oder Kabarett oder etwas Ähnliches im Radio, und dann früh in die Federn. Aus Mädchen hab ich mir nie viel gemacht, nicht mal als Soldat. War damals übrigens im Vorderen Orient. Ja mit meinem Leben war ich ganz zufrieden, mit meiner Bude bei Thompsons und dem täglichen Einerlei, bis zu dem Abend, wo es geschah. Seitdem ist alles verändert. Und wird auch niemals wieder so werden, wie es war. Ich weiß nicht…
    Die beiden Thompsons waren zu ihrer verheirateten Tochter nach Highgate gefahren. Sie hatten mich gefragt, ob ich nicht mitkommen möchte, aber ich drängte mich nicht gern auf; weil ich aber keine Lust hatte, nach Feierabend allein zu Hause zu sitzen, ging ich ins Kino. Es gab einen Wildwestfilm; auf dem Kinoplakat war ein Cowboy abgebildet, der einem Indianer sein Messer in die Eingeweide stieß. So was seh ich gern – hab ein kindliches Vergnügen an Wildwestfilmen –, bezahlte also und trat ein. Ich gab der Platzanweiserin mein Billett und sagte: »Letzte Reihe«, denn ich sitze gern weit hinten, damit ich meinen Kopf gegen die Balustrade lehnen kann.
    Ja, und da sah ich sie. In manchen Kinos staffieren sie ja die Mädchen unglaublich aus: Tellermützen aus Samt und weiß der Himmel was, machen die reinen Jungs aus ihnen. Na, aus dieser hatten sie jedenfalls keinen Jungen machen können. Sie hatte kupferrotes Haar, Pagenschnitt, so glaub ich, nennt man das, und blaue Augen, solche, die kurzsichtig aussehen, aber weiter blicken, als man denkt, und die nachts ganz dunkel, beinahe schwarz werden. Ihr Mund war mürrisch, so, als habe sie alles satt, als müsse man ihr die ganze Welt zu Füßen legen, um ihr ein Lächeln abzugewinnen. Sie hatte keine Sommersprossen, auch keinen milchweißen Teint, sondern solchen mit einem warmen Schimmer wie ein Pfirsich, und war gar nicht zurechtgemacht. Klein und zierlich war sie, und ihr Samtanzug – blau – saß ihr wie angegossen, und unter der keck aufgestülpten Mütze quoll ihr kupferrotes Haar hervor.
    Ich kaufte ein Programm – nicht weil ich eins haben wollte, sondern weil ich es nicht so eilig hatte,
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