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Bitte Zweimal Wolke 7

Bitte Zweimal Wolke 7

Titel: Bitte Zweimal Wolke 7
Autoren: Jutta Wilke
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Das mit dem Gummibärchenkalender war Kims Idee. So wie fast alle guten Ideen von Kim kommen. Als feststand, dass ich auch in diesem Jahr die Sommerferien in Hamburg verbringen würde, schickte Kim mir eine Dose mit Gummibärchen. Abgezählt. Für jeden Tag eins.
Damit du sehen kannst, wie schnell die Zeit vergeht
, stand auf dem Zettel, den sie dazugelegt hatte.
    Ich schiebe mir ein Gummibärchen in den Mund und frage mich, was mir dieser Tag wohl bringen mag. Die letzte Woche vor den Ferien ist ja meistens ganz erträglich. Die Klassenarbeiten sind alle geschrieben, die Notenkonferenzen sind gelaufen und selbst die Lehrer haben keine Lust mehr auf anstrengenden Unterricht. Na ja, fast alle Lehrer. Die Müller-Thurgau zieht ihr Ding wahrscheinlich wieder durch bis zur letzten Minute. Müller-Thurgau. Manche Leute denken einfach nicht nach, bevor sie heiraten.
    Wir haben den Namen unserer Biolehrerin mal gegoogelt, nachdem wir erfahren haben, dass Müller-Thurgau eine Weinsorte ist.
Mild, aber fruchtig
, stand da.
Die Weine sollten jung getrunken werden. Eine lange Lagerung ist nichtempfehlenswert
. Seitdem ist uns alles klar: Die Müller-Thurgau wurde eindeutig viel zu lange gelagert, die ist nämlich das Gegenteil von mild und fruchtig. Eigentlich ist uns völlig schleierhaft, wie sie überhaupt zu ihrem Doppelnamen gekommen ist, zu dem ja, wie gesagt, auch ein Mann gehören muss.
    Zum Glück steht Bio heute erst nach der großen Pause auf dem Stundenplan. Vorher ist Mathe dran. Mathe bei Herrn Kaiser ist ganz okay, oder besser gesagt, Herr Kaiser ist es. Da ist es nicht ganz so dramatisch, dass ich völlig unvorbereitet in die Schule komme.
    Kim hat sich immer noch nicht gemeldet. Normalerweise schickt sie mir schon kurz nach dem Wachwerden mein Horoskop. Auch so eine Idee von Kim. Sie meint, wenn man den Tag mit einem Horoskop anfängt, dann ist man besser vorbereitet auf das, was passiert. Die Horoskope erstellt sie mit ihren Tarotkarten und ihrem Pendel selbst. Manchmal habe ich zwar den Eindruck, dass Kim ein bisschen nachhilft, aber was soll’s? Solange die richtigen Sachen in meinem Horoskop stehen – ich bin übrigens Wassermann – soll es mir recht sein.
    Ich blicke nach vorne, als Herr Kaiser verkündet, dass es statt Mathe einen Film gibt.
Die Welle
. Haben wir zwar schon x-mal angeschaut, weil vermutlich jeder Lehrer glaubt, dass man
Die Welle
in seinem Schülerleben einmal gesehen haben sollte, aber besser als Matheunterricht ist es auf jeden Fall. Und Süßigkeiten gibt’s auch.
    Glücklicherweise ist der Platz neben mir frei. Sonst sitzt da Frederic, ein guter Kumpel von mir. Aber Freddy liegt mit Windpocken im Bett und darf die letzte Schulwoche vor den Ferien zu Hause bleiben. Ist mir heute auch ganz recht so. Sonst müsste ich den Süßkram mit ihm teilen, und es reicht mir, dass ich meinen allerersten Zungenkuss mit ihm teilen musste. Oder besser gesagt, eins von seinen Mentholbonbons. Das ist zwar schon eine Ewigkeit her – wir waren damals in der Siebten – aber seitdem ist mir der Appetit auf Bonbons gründlich vergangen. Eigentlich weiß ich auch gar nicht, wie das passieren konnte, denn Freddy und ich waren bis zu jenem Tag wirklich prima Freunde, nicht mehr und nicht weniger. Es war auf einer dieser Partys, auf der die Mädchen unbedingt tanzen wollten und die Jungs sich unter die Tische verkrochen. Alle Jungs. Bis auf Freddy. Der zerrte mich auf die Tanzfläche, und ich weiß noch, dass ich unglaublich stolz war. Schließlich war ich das einzige Mädchen, das mit einem Jungen tanzte. Als die Musik langsamer wurde, rückte mir Freddy immer dichter auf die Pelle, und plötzlich spürte ich seinen Atem in meinem Gesicht. Gleichzeitig strich er mir mit seinen Händen über den Rücken. Weil ich das Gefühl hatte, dass er irgendetwas suchte, öffnete ich den Mund, um ihn zu fragen, ob ich ihm helfen könne. In dem Moment steckte er mir blitzschnell erst sein Mentholbonbon und dann seine Zunge zwischen die Lippen. Ich wusste nicht so recht, was ich daraufhin machen sollte, also lutschte ich ein bisschen auf dem Bonbon herum und schob es dann zurück. Das gingso eine Weile hin und her, und ich bemühte mich wirklich sehr darum, Freddys Zunge
nicht
zu berühren, aber das ließ sich bei unserer Bonbonaustauscherei leider kaum vermeiden. Dabei stampften wir die ganze Zeit von einem Fuß auf den anderen. Irgendwann war das Lied zum Glück zu Ende, und ich nutzte die Chance, mich mit einem
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