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Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns
Autoren: Eugen Freund
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    David Krimnick hasste es, früh aufzustehen. Aber Ross’ Schulbus rollte immer schon um 6 Uhr 15 um die Ecke und David hatte mit seiner Frau vereinbart, er würde seinem Sohn das Frühstück zubereiten. Jetzt stand er in der Küche, zog an der Kühlschranktür und griff zum Milchpaket. Er war 35, sie hatten früh geheiratet, er kannte Eleanor schon von der High School, sie kam immer vorbei, wenn er Football spielte, sie war eine der attraktivsten „Cheerleader“. Außerdem imponierte ihm ihre Intelligenz, sie hatte ein ungeheuer breites Wissen, kannte sich in der Politik aus, in Geschichte, sogar in Biologie, und das war überhaupt nicht seine Stärke. Er war im Football-Team Quarterback gewesen, sein Oberkörper war auch ohne die obligaten Schulterpolster heute noch beeindruckend. Eleanor arbeitete in einer Anwaltskanzlei, sie war ein Nachtmensch, außerdem traf sie sich am Abend gerne mit Patricia, ihrer Freundin, ebenfalls eine Anwältin. David Krimnick war – eine Tradition in der Familie Krimnick – Special Agent beim FBI, lange Zeit war er für ausländische Staatsgäste zuständig gewesen.
    Großvater Joshua Krimnick hatte direkt unter Herbert Hoover, dem legendären ersten Direktor des Federal Bureau of Investigation, gedient. Er erzählte gerne und voller Stolz, dass er es gewesen war, der den FBI-Chef am 7. Dezember 1941 über den Angriff der Japaner auf Pearl Harbor informiert hatte. David hatte diese Geschichte immer und immer wieder geschildert bekommen, vor allem, als sein Großvater schon alt und vergesslich war – so vergesslich, dass er sich nicht mehr daran erinnerte, die Story gerade erst fünf Minuten zuvor im fast selben Wortlaut erzählt zu haben.
    Ein Piepsen riss David aus seinen Gedanken. Er öffnete die Tür der Mikrowelle, holte die heiße Schale heraus und stellte sie auf den Tisch, dorthin, wo sein Sohn gewöhnlich Platz nahm. Aber Ross war immer noch nicht aus dem Bad gekommen, die Minuten zerrannen, jeden Augenblick konnte der Bus anrollen, zum Glück hielt er gleich vor der Haustür. Doch dann ging alles schneller als erwartet: Ross polterte die Stufen hinunter, verschlang die Cereals und war schon aus dem Haus. „Bye“ rief er über die Schulter durch die geöffnete Haustür, „Hab einen schönen Tag“, antwortete sein Vater, der hinter ihm nach draußen ging. Da kam auch schon der Schulbus. Jedes Mal diese Hektik, dachte sich David Krimnick, wieso kann der Bub nicht wenigstens fünf Minuten früher aufstehen …
    Vor dem Haus hob David die beiden Zeitungen auf, die in einer blauen und einer durchsichtigen Plastikhülle neben den Stufen lagen – wie immer waren sie ein wenig angefeuchtet, die Zeitungsausträger kamen schon um drei Uhr früh, dann, wenn sich der Dunst über die Vororte von Washington legte. Im Haus nahm David die beiden Zeitungen aus dem Plastik und führte die beiden Säckchen gleich ihrer nächsten Verwendung zu: Er band sie um die Hundeleine, denn damit klaubte, wer immer mit Eva, so hieß ihr dreijähriger Cocca-Poo, spazieren ging, den Kot auf und versenkte ihn dann in einer Mülltonne.
    Jasmin Köpperl griff nach der Zuckerdose. Es war bereits ihr dritter kleiner Brauner, diesmal hatte sie noch extra ein Kännchen Milchschaum dazu bestellt. Sie legte die zwei Seiten, die sie gerade gelesen hatte, auf den Tisch und dachte nach. Ihr Blick schweifte hinaus auf die Bahnhofstraße. Ein älterer Herr, der einen Trachtenhut trug, in dessen grünem Band eine Fasanfeder steckte, ging direkt am Caféhaus-Fenster vorbei, aber sie nahm ihn nicht wahr, sie fokussierte auf nichts. Zweimal hatte sie den Text durchgelesen, aber sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Sie, die immer so gut organisiert war, die ihre Storys stets im Kopf formuliert hatte, bevor sie sie auf Papier oder später in den Computer schrieb, war am Ende. Nicht einmal einen einfachen Text zu analysieren war sie in der Lage. Zu viel war in den letzten Tagen über sie hereingebrochen.
    Der Aschenbecher quoll über von halb angerauchten Zigaretten. So oft hatte Jasmin schon das Rauchen aufgeben wollen. Das bislang letzte Mal war es ein Versprechen, das sie Stefan gegeben hatte. Er hasste den Rauch, einmal sagte er ihr sogar, er würde sie nie wieder küssen, wenn sie nicht endlich die Zigarettensucht aufgebe.
    Die 40-jährige Journalistin konnte es einfach nicht glauben, was da über sie hereingebrochen war. Ihr Handy hatte geläutet, gerade als
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