Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns
Autoren: Eugen Freund
Vom Netzwerk:
sie dabei war, ihr Notebook einzupacken, um auf eine Pressekonferenz zu gehen. Am anderen Ende war die Polizei. „Hier ist Revierinspektor Bugelnik, spreche ich mit Frau Köpperl?“ Er wollte wissen, ob und wo er sie persönlich treffen könne. Nein, er könne ihr am Telefon nicht sagen, worum es sich handle. Ein kalter Schauer rieselte ihr über den Rücken, so wie damals, als sie die Nachricht vom Tod ihres Vaters erhalten hatte. Er war, ganz plötzlich, an seinem Arbeitsplatz gestorben, vom Stuhl gefallen, lag am Boden. Ein Mitarbeiter hatte den dumpfen Knall gehört und sich umgesehen. Er erspähte ein Bein, das hinter dem Schreibtisch herausragte, sich hin und her bewegte wie ein Kolben in einem Boxermotor. Als die Rettung kam, war es schon zu spät. Gerhard, ein Arbeitskollege, der längst zum Freund der Familie geworden war, hatte Jasmin angerufen und ihr das völlig Unerwartete mitgeteilt.
    Zehn Minuten später war der Revierinspektor in der Redaktion. „Bugelnik, Franz“, stellte er sich vor. Er war großgewachsen, unter seiner Kappe, die er kurz anhob, war graues, gelocktes Haar zu sehen. Seine Augen leuchteten grün, sie lagen tief unter den buschigen Augenbrauen, die über dem Nasenrücken miteinander verwachsen waren. Als er sie fragte, wo er sie alleine sprechen könne, ahnte sie schon Schlimmes. Sie verwies auf das Konferenzzimmer. Um dorthin zu gelangen, mussten sie an Jasmins Redaktionskolleginnen vorbei. Sie spürte, wie sie angestarrt wurde, auch wenn sie niemandem in die Augen sah. „Neugierig sind sie“, dachte Jasmin, „aber das ist nicht Journalisten-Interesse. Sie sehen eher wie Menschen drein, die gespannt darauf sind, Gerüchte zu verbreiten.“ Jasmin ging einfach weiter. Im Konferenzzimmer hätte sie Platz nehmen können, aber sie blieb lieber stehen.
    „Wir haben in der Früh Stefan Stragger tot in der Garage aufgefunden. Alles deutet auf einen Selbstmord hin.“ Franz Bugelnik sprach mit starkem kärntnerischen Akzent. Es klang mehr nach „Frieh“ und „Toood“ und „olles“. Aber Jasmin war ja selbst Kärntnerin, dieser Klang war ihr vertraut. Stefan, Selbstmord? Unmöglich. „Haben Sie in den vergangenen Tagen irgendeine Veränderung bei ihm festgestellt?“ „Hobn“, „Togn“, „feestgestölt“. „Wie kommen Sie überhaupt auf mich?“, fragte Jasmin. „Wir haben auf seinem Handy viele SMS gefunden, die meisten kamen von Ihnen – und es war klar, dass Sie ein enges Verhältnis hatten.“ Jasmin überlegte. Sollte sie dem Herrn Inspektor sagen, dass sie mit Stefan … „Wir waren seit drei Jahren zusammen, nächstes Jahr wollten wir heiraten, aber …“ Sie konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie setzte sich nieder.
    „Möchten Sie ein Glas Wasser?“, fragte Franz Bugelnik. Sie nickte und zeigte mit der Hand auf die hinter ihr liegende Tür, hinter der sich eine kleine Küche befand. Während Bugelnik an Jasmin vorbeiging, schoss ihr das Telefongespräch durch den Kopf, das sie am Vorabend mit Stefan geführt hatte: Er hatte so bestimmt geklungen, als er ihr sagte, dass sie nicht zu ihm kommen solle. Irgendetwas, so erinnerte sie sich, war in seiner Stimme gewesen, das sie beunruhigte. Dass er wieder viel zu schreiben hatte, hatte sie ihm zwar geglaubt, aber gestern war es ihr nicht ehrlich erschienen. Bugelnik war unterdessen aus der Küche zurück, in der Hand hielt er ein Glas Wasser. Es war angenehm kalt, das konnte Jasmin erkennen, noch bevor sich ihre Finger um das Gefäß schlossen und dabei leicht die kräftige Hand des Inspektors berührten. „Wer hat Sie denn informiert?“, wollte Jasmin wissen. Bugelnik zögerte. Konnte er …? Warum nicht, sie würde es ja ohnehin bald erfahren, abgesehen davon, dass Journalisten alles herausfinden, wenn sie nur wollen. „Die Nachbarin hat uns angerufen. Sie war mit dem Fahrrad unterwegs, und als sie bei Stefans Haus vorbeikam, hörte sie hinter dem Garagentor, das geschlossen war, Motorengeräusch.“ Jasmin dachte nach: Stefan war so lebenslustig, stets fröhlich, er war zufrieden mit seinem Job und das Buchprojekt, über das er nicht sprechen wollte („Du darfst es als erste lesen, aber erst, wenn es einmal fertig ist“, hatte er immer dann gesagt, wenn sie ihn wieder danach fragte), kam gut voran, jedenfalls nach seinen Aussagen. Das Buch – ob sein Tod etwas mit dem Inhalt zu tun haben könnte? Jasmin war wütend, dass sie Stefan nicht überreden hatte können, ihr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher