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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis
Autoren: Marjorie M. Liu
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1
    Z ombies hatten die schlechte Angewohnheit, mir in den Kopf zu schießen. Die meisten hüteten sich zwar davor, aber unter ihnen gab es immer auch welche, die ihr Glück herausfordern wollten.
    Es geschah an einem verregneten Montag. Der Morgen graute schon. Zerbrochene Laternen und Glasscherben lagen auf der Straße, und hoch über mir türmten sich die gewaltigen Schatten verlassener Lagerhäuser. Eine tote Stadt zu einer toten Stunde. Seattle war ein dunkler Ort, selbst wenn die Sonne schien. An einigen Tagen fühlte es sich so an, als lebte man in den Nachwirkungen eines nuklearen Winters - als hätte sich eine Pilzwolke über der Stadt aufgebläht und wäre niemals abgezogen.
    Und ruhig war es auch. Man hörte nur lautes Atmen und dann noch ein leises Wimmern; das Scharren meiner Cowboystiefel auf dem Beton und das Klicken von Krallen; dazu das Rumpeln der Frachtzüge am Verschiebebahnhof jenseits des Hafens, in das sich ein vibrierendes Grollen mischte, das mir leise in den Ohren klang: wie stille Sinfonien von Donner. Das war eine gute Musik, die mir ein Gefühl von Sicherheit einflößte.

    Ich strich mir das nasse Haar aus den Augen. »Zee, pack ihn fester!«
    Er, das war Archie Limbaud. Ein dürrer Mann, dazu so sehnig wie eine Viper. Sein kurzes braunes Haar klebte ihm auf dem nassen Schädel und war von Schuppen übersät. Er war so um die vierzig Jahre alt und roch wie das Badezimmer eines Teenagers: ungewaschen und nach einem Hauch von Fäkalien.
    Außerdem war er ein Zombie. Aber nicht einer von der hirnfressenden, schlurfenden Sorte. Und er war auch kein Leichnam. Er war lediglich ein Mann, allerdings einer, der von einem Dämon besessen war und seinen Körper wie eine Marionette benutzte. Meiner Meinung nach war das genauso schlimm, als wäre man tot.
    Ich wollte ihn nicht berühren. Er lag am Rand eines leeren Parkplatzes, am Fuß eines Maschendrahtzauns. Der Inhalt seiner Brieftasche lag auf dem Boden vor mir verteilt. Mehr Kondome als Bargeld, dazu eine Kreditkarte und ein abgelaufener Führerschein. Noch vor wenigen Minuten hatte auch noch eine Pistole vom Kaliber.40 daneben gelegen, mit der er auf meinen Kopf gezielt hatte. Aber die war jetzt verschwunden.
    Aufgefressen.
    Ich mochte keine Pistolen. Und ich hasste Zombies. Das kam noch zu all dem dazu, was ich über diesen besessenen Mann zu meinen Füßen wusste - und ließ mich schwanken, ob ich weinen, schreien oder ihm einfach nur in die Eier treten sollte.
    Ich zog die Handschuhe aus, stopfte sie in meine Gesäßtasche und streckte die Hand mit der Innenfläche nach oben aus. Eine kleine, mit Krallen besetzte Hand reichte mir ein Klappmesser. Es war eine hübsche Waffe mit einem perlmuttenen Handgriff und silbernen Verzierungen. Die Klinge war rasiermesserscharf und immer noch mit Blut verschmiert. Seine
Initialen waren darauf eingraviert: A. L. Ich wedelte mit dem Messer vor Archies gerötetem Gesicht hin und her - seine dunkle Aura flackerte aufgeregt über seinem Scheitel.
    »Das ist vielleicht eine Nacht«, sagte ich gelassen. »Ich habe die Leiche gefunden.«
    Archie sagte nichts. Das mochte an dem Baseballschläger aus Aluminium liegen, der sich in seinen Schlund gegraben hatte. Vermutlich hatte er ihn von den Seattle Mariners gestohlen. Von der Stelle aus, an der ich kauerte, konnte ich die Mauern des Stadions auf dem Safeco Field sehen. Zee und die anderen Jungs hatten gerade ihre Baseballphase. Babe Ruth war angesagt, Bill Russell war out - was mir irgendwie weh tat. Wenigstens standen meine Jungs noch auf Bon Jovi. Zu viele Veränderungen hätte ich jetzt nicht gut ertragen können.
    Zee, Rohw und Aaz hockten am Boden und nagelten Archie auf dem Bürgersteig fest. Die Jungs waren kleine Dämonen, winzige Bluthunde. Der Regen perlte über ihre knorrigen Rücken, die rußig aussahen, mit Silber verschmiert. Ihre Haut schimmerte über dem geschmeidigen Spiel ihrer Muskeln und wirkte fast flüssig. Rasiermesserscharfe Haare auf dem Rückgrat erstreckten sich bis zu den Schädeln hinauf, die wie gemeißelt schienen und an denen silberfarbene Adern ruhig pulsierten. Hätte ich mein Ohr darauf gelegt, es hätte wie der gleichbleibend rhythmische Anschlag von Bassgitarren geklungen.
    Ihre roten Augen funkelten. Ich tippte Aaz mit dem Klappmesser auf den Hinterkopf - sein Haar schnitt durch den Stahl, als bestünde er aus Butter. Rohw fing die Scherben der Klinge auf, noch bevor sie auf den Beton fielen, stopfte sie sich in den Mund und
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