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Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns
Autoren: Eugen Freund
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andererseits das immer wieder dementierte, aber durch seine Äußerungen schwer widerlegbare Naheverhältnis zu nationalsozialistischem Gedankengut, die Annäherungen an rechtsradikale Parteien quer durch Europa … David stand auf, ging zur Stiege, die in den ersten Stock führte, und horchte. Er hörte Wasser rauschen, Eleanor war in der Dusche. Er drehte sich um, machte ein paar Schritte zum Telefon und wählte eine Nummer in D.C.
    Haider. Der ehemalige Kärntner Landeshauptmann. Stefan wollte am Donnerstag nicht, dass Jasmin zum ihm kommt, weil er an etwas besonders Wichtigem arbeitete. Was es genau war, wollte er ihr nicht sagen, am Telefon war er nie wirklich gesprächig. Aber jetzt war sie überzeugt, dass es etwas mit Haider zu tun haben musste. Was, wenn Stefan den überraschenden Tod Jörg Haiders vor fünf Jahren untersucht und zu einem anderen Schluss als die offizielle Expertenmeinung gekommen war? So verwunderlich wäre das nicht, schließlich stand Stefan im Dienst des Heeresnachrichtenamtes: Wenn jemand einem ausländischen Geheimdienst – wenn ein solcher denn tatsächlich involviert gewesen sein sollte – auf der Spur war, dann würde Stefan ganz eng eingebunden sein. Andererseits: Jasmin war überzeugt, dass die offizielle Version nach Haiders Verkehrsunfall, dem hohen Alkoholgehalt in seinem Blut, gestimmt hatte – alles andere waren nur Gerüchte, die nach dem plötzlichen Tod jedes charismatischen Politikers auftauchten. Und das Internet machte es heutzutage ohnehin jedem Spinner möglich, seine noch so krausen Theorien zu verfassen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
    Jasmin vergegenwärtigte sich noch einmal jenen Augenblick, als sie mit Franz Bugelnik vor Stefans Haus gestanden hatte. Beide waren verblüfft, als sie die Tür mit dem Aufkleber „Betreten verboten“ sahen. Der Inspektor blickte sie an, fragend, und sie war sicher, dass dieser Blick nichts anderes bedeutete als: „Kennen Sie einen anderen Eingang?“ „Kommt man da irgendwie anders rein?“, fragte er sie, „Sie sind doch hier ein- und ausgegangen.“ Jasmin überlegte. Sie war immer durch die Eingangstür zu Stefan gekommen. Aber sie kannte das Haus natürlich gut – und einmal, es musste so vor einem Jahr gewesen sein, jetzt fiel es ihr ein, hatte Stefan sie in den Keller geführt. Eigentlich wollte er ihr nur den Weinkeller zeigen, er hatte einen bemerkenswert guten Geschmack, vor allem was französische und italienische Rotweine betraf (sie hatte, ganz willkürlich, ein paar Flaschen aus dem aus Ziegeln und Mörtel errichteten Gestell gezogen und die Etiketten gelesen: „Hermitage La Petite Chapelle“ und „Gigondas Rouge Montirius Confidentiel“ neben einem „Gran Sasso Pecorino Terre di Chieti“ und einem „Canaletto Montepulciano d’Abruzzo“). Aber statt sie einen Wein auswählen zu lassen, sagte Stefan plötzlich: „Kannst du etwas für dich behalten?“ „Du meinst, ich soll niemandem etwas über deine Weinsammlung erzählen?“ Nein, das war es nicht. Er ging in den nächsten Raum, da standen ein paar Schränke, einige wackelige Regale, auf denen Ölkanister lagen, einer neben dem anderen, unterschiedlichstes Werkzeug, eine Hacke, mehrere Container mit verschiedenen Lacken. Doch Stefan schritt auf einen Schrank zu, es war ein altdeutscher Riese, mit wunderschönen Holzintarsien. Der stand da, als wollte er jemandem den Weg versperren. Stefan schob ihn mit etwas Anstrengung von der Wand weg, hantierte mit der Rückwand und im Nu hatte sich diese vom Rahmen gelöst. Dann öffnete er die Schranktür und zeigte auf einen quadratischen Ausschnitt, der sich an der Wand abzeichnete. „Was ist das, ein Safe?“, fragte Jasmin. „Warte, gleich wirst du’s sehen“, antwortete Stefan und deutete mit einem leichten Lächeln an, dass sich dahinter mehr versteckte. Er hob den Arm, griff unter die Schrankabdeckung und holte einen Schlüssel hervor. Den steckte er in ein Schlüsselloch in die viereckige Abdeckung an der Wand, drehte ihn einmal, zweimal herum und öffnete sie. Doch das erste, was Jasmin auffiel, war, dass der dahinter liegende Raum leer schien. Und es roch: Jasmin zog die Luft ein und versuchte den Geruch zu identifizieren. Er hatte etwas Feuchtes an sich, vielleicht sogar Schimmliges, auf jeden Fall war es Luft, die nach Draußen roch. „Das ist mein Fluchtweg“, sagte Stefan, so lässig, als hätte er gerade einen Spazierweg beschrieben. „Was meinst du mit ,Fluchtweg‘?“
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