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Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns
Autoren: Eugen Freund
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lebenslustigen, sportlichen Geografie- und Turnstudentin, die ebenfalls aus Kärnten kam und die Stefan rasch deutlich machte, dass das Leben aus mehr als nur dem Studium von Paragrafen besteht.
    Zwei Jahre danach, ziemlich gleichzeitig mit dem Abschluss seines Studiums, zerbrach die Liebe wieder. Karina hatte einfach genug davon, dass sich Stefan für die Jurisprudenz mehr zu interessieren schien als für sie. Er arbeitete gerade an der Uni, da packte sie all ihre Sachen und zog aus. Den Brief, den sie hinterließ und in dem sie ihm ziemlich ausführlich mitteilte, dass sie diese Art der Zweisamkeit nicht länger aushielt („… mehr als einmal habe ich das Gefühl gehabt, du bist ganz woanders, selbst wenn wir uns ganz nahe waren …“) beantwortete er mit einem Telefonanruf. Aber Karina ließ sich nicht umstimmen. Und weil Stefan zu dieser Zeit ohnehin auf Jobsuche war, ließ sein Liebeswerben bald nach.
    Er hatte Glück: Das Heeresnachrichtenamt suchte einen jungen Juristen, allerdings in Wien. Und so zog Stefan Stragger nur wenige Wochen, nachdem er das Studium abgeschlossen hatte, in die Bundeshauptstadt. Doch richtig wohl fühlte er sich dort nie. Sein Freundeskreis war begrenzt, sicher lag das auch an seinem Job, der sehr viel mit Geheimhaltung zu tun hatte. Es war schwierig, am Abend Bekannte zu treffen und dabei wenig – oder sogar nichts – über den Beruf erzählen zu können: Während des Balkan-Kriegs sammelten die Spezialisten Informationen, die nicht einmal die Amerikaner hatten; jedenfalls so lange nicht, bis die US-Botschaft die österreichischen Spione mit mildem Druck dazu brachte, dieses Wissen an sie weiterzugeben.
    Stragger war richtig froh, als er eines Tages von seinem Vorgesetzten gefragt wurde, ob er nicht nach Kärnten übersiedeln wolle. Dort sei eine Stelle zu besetzen, für die er besonders geeignet erschien: In unmittelbarer Nähe zur italienischen und slowenischen Grenze gebe es für die Spionageeinheit des Bundesheeres ein reichhaltiges Tätigkeitsgebiet. Stefan Stragger stimmte sofort zu.

J ASMIN K ÖPPERL ÖFFNETE die hellrote Papiermappe, die auf dem Stuhl neben ihrer Handtasche lag, und holte die nächsten zwei Seiten eng bedrucktes Papier hervor. Vielleicht, so dachte sie, gibt mir das Aufschlüsse darüber, woran Stefan gearbeitet hat.
    Von: [email protected]
An: [email protected]
    Die letzte halbe Stunde vor seiner Abfahrt ins Büro reservierte David immer für das Zeitunglesen. Die „Washington Post“ und die „New York Times“ gehörten zu seiner Stammlektüre, schon aus Tradition, weniger aus echter Begeisterung. An der „Post“ schätzte er, dass sie ihn immer über die Ereignisse in seiner Nachbarschaft informierte. Schließlich gab es da die eigene „Montgomery County Edition“, in der sah er sich auch immer die Todesanzeigen an („John Safire, geliebter Gatte von Sarah …“) und fühlte sich beruhigt, wenn niemand seines Alters gestorben war. Die NYT las er nicht zuletzt wegen der Außenpolitik. Er war an Europa interessiert, das hatte etwas mit seiner Herkunft zu tun, schließlich war sein Großvater Joshua noch in Wien geboren (damals hieß er allerdings noch Krimmich).
    David blätterte in der „Times“. Meist überflog er die Überschriften, er hatte zu wenig Interesse daran herauszufinden, warum sich „São Paulo als Kidnapping-Hauptstadt Brasiliens“ erwies oder warum der „Oberste Gerichtshof ein Kasino in Texas“ schloss, doch bei „Die Küchenchefin: Franziska Sorger“ blieb er kurz hängen. Klingt wie eine Österreicherin, dachte er, und tatsächlich, als er weiterlas, erfuhr er, dass Sorger ein Lokal in New York führte und bereits sieben ähnliche Kolumnen wie die heutige über den Apfelstrudel geschrieben hatte. David wollte schon zur Schere greifen, die Eleanor immer in die dritte Küchenlade legte, um den Artikel seiner Mutter nach Miami zu schicken, aber beim Zurückblättern leuchtete ihm noch ein Titel entgegen: „World Briefing – Europe: Austria: Haider Defends Iraq Visit“. Es waren nur wenige Zeilen, aber der Inhalt ließ David erschauern: „… traf sich mit Saddam Hussein … aus humanitären Gründen … fordert ein Ende der UNO-Sanktionen … kritisiert die US-Politik gegenüber dem Irak …“ Kurz blickte er von der Zeitung auf. Das war’s wohl, dachte er, das passt jetzt genau ins Schema: Haiders mehrmalige Treffen mit Muammar Gaddafi, die enge Beziehung zu dessen Sohn Saif, der Besuch im Iran, und
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