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Bitte Zweimal Wolke 7

Bitte Zweimal Wolke 7

Titel: Bitte Zweimal Wolke 7
Autoren: Jutta Wilke
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fragst du?«
    »Weil du beim nächsten Cybersex einen Screenshot machen wirst, deshalb!«
    »Aber sonst geht’s dir noch ganz gut?« Kim ist nicht wirklich begeistert von meinem Vorschlag. »Selbst ist die Frau! Die Chatadresse hast du ja.«
    »Ja klar. Und wie läuft das bitte ab? Erzähle ich einfach, dass ich ganz langsam meine Bluse aufknöpfe – virtuell natürlich –und von meinen Schultern streife? Dass meine langen roten Locken dabei auf meine nackten Brüste fallen, denn einen BH habe ich nicht an …«
    »Exakt so!«
    »Und dabei habe ich die ganze Zeit keine Ahnung, wer am anderen Ende der Leitung sitzt.« Mir gefällt diese ganze Chat-Idee überhaupt nicht.
    Kim kichert. »Rein theoretisch könnte sogar dieser … Mathelehrer von dir, der so gut aussieht, im Chat sein.«
    »Herr Kaiser im Chat? Der sieht zwar toll aus, aber dafür ist der viel zu spießig.«
    Mein Lachen wird von einer Stimme unterbrochen, die eindeutig nicht aus dem Handy kommt. »Ich denke, Herr Kaiser hätte größeres Interesse daran, dich in seinem Unterricht zu sehen!«
    Mir bleibt das Herz stehen und panisch drücke ich das Gespräch mit Kim weg. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Die Müller-Thurgau. Was macht die denn hier auf dem Mädchenklo? Dürfen Lehrer überhaupt aufs Klo gehen? Mir ist ganz schlecht vor Schreck.
    Am liebsten würde ich mein Handy in die Toilette schmeißen und selbst gleich hinterherspringen. Ich spüre, dass mein Gesicht die Farbe meiner Haare annimmt, und überlege verzweifelt, wie ich mich ungesehen an der Müller-Thurgau vorbeischleichen kann. Ob sie meine Stimme erkannt hat? Vielleicht habe ich Glück, und sie weiß gar nicht, wen sie da eben belauscht hat. Ich erwäge gerade, mich über die Trenn-wändevon Kabine zu Kabine zu hangeln, als es an die Tür klopft.
    »Karolin Schreiber! Würdest du jetzt bitte da rauskommen und zurück in den Unterricht gehen!«
    Ich fluche innerlich und öffne die Tür. Die Müller-Thurgau steht mit verkniffenem Gesicht davor und hält fordernd die Hand auf. Ich lege mein Handy hinein und schiebe mich an ihr vorbei Richtung Ausgang.
    »Deine Mutter kann dein Telefon nach Schulschluss im Sekretariat abholen!«, ruft sie mir hinterher.
    Mist. Ärger mit meiner Mutter ist so ziemlich das Letzte, was ich jetzt brauche. Ich beiße die Zähne zusammen und schmeiße die Tür hinter mir zu.

Natürlich. Meine Mutter ist mal wieder nicht zu Hause. Warum klingele ich überhaupt? Ich krame meinen Schlüssel aus dem Rucksack und schließe auf. Früher habe ich sie tagsüber nicht vermisst, denn als ich klein war, war Papa zu Hause. Er hat noch studiert, als meine Mutter schon als Anwältin gearbeitet hat. Später hat er dann sein Ingenieursstudium abgeschlossen und halbtags in einem kleinen Büro angefangen, bis das Angebot aus Hamburg kam. Papas Firma wollte ihn dorthin versetzen, weil dringend jemand mit seinen Fähigkeiten gebraucht wurde. Ich war gerade elf Jahre alt.
    An dem Tag, als Papa den Job annahm, wurde bei uns alles anders. Meine Eltern stritten sich von da an nur noch und beschlossen ein Jahr später, sich zu trennen. Papa ging nach Hamburg, meine Mutter blieb mit mir hier in diesem Kaff und fuhr weiter in ihre Kanzlei nach Frankfurt.
    Ich schließe kurz die Augen und versuche, mich an den Geruch von früher zu erinnern. Pfannkuchen. Wenn Papa Pfannkuchen machte, dann konnte man schon im Treppenhaus anfangen, sich darauf zu freuen.
    Jetzt duftet es aus unserer Wohnung schon lange nicht mehr nach selbst gemachten Pfannkuchen.
    Ich gehe in die Küche und hoffe, wenigstens irgendetwas zum Essen zu finden. Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel:
    FamG
.
    Lasagne im Kühlschrank
.
    Kuss, Mama
.
    Aha. FamG heißt Familiengericht, und wenn meine Mutter dort heute Verhandlungen hat, dann kann das dauern.
    Lasagne! Meine Mutter wird es nie begreifen, dass Lasagne nichts für Vegetarier ist. Auch Hackfleisch war mal ein Tier und wollte leben. Also wieder ein Käsebrot.
    Mein Handy kann ich mir für heute auch abschminken. Bis meine Mutter aus dem Gericht kommt, ist das Schulsekretariat längst geschlossen.
    Ich schneide mir zwei Scheiben Brot ab und belege sie mit den Käseresten, die ich noch im Kühlschrank finde. Dazu mache ich mir eine Riesenschüssel Cornflakes mit viel Zucker – ich brauche jetzt definitiv was Süßes. Zusammen mit einem großen Glas Apfelschorle packe ich alles auf ein Tablett und balanciere das Mittagessen in Richtung meines Zimmers.
    Zum Glück ist die
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