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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend
Autoren: Unknown
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nicht gerade alle Tage machte und Angst vor einer Abfuhr hatte. Als der Schaffner angestapft kam und das Fahrgeld verlangte, sagte ich: »Zwei zu Sixpence, bitte«, denn, so dachte ich mir, bis zur Endstation wird sie wahrscheinlich nicht fahren, und dies reicht auf alle Fälle für sie – und für mich auch.
    Der Schaffner zog die Augenbrauen hoch – manche von diesen Burschen halten sich für weiß wie pfiffig – und meinte: »Geben Sie acht, wenn der Fahrer den zweiten Gang einschaltet, dann gibt es einen tüchtigen Ruck. Er hat erst vor kurzem seine Prüfung bestanden.« Damit ging er grinsend die Treppe hinunter und kam sich wahrscheinlich wie ein ausgemachter Witzbold vor.
    Beim Klang seiner Stimme war das Mädchen erwacht, blinzelte mich aus schläfrigen Augen an und sah auch die beiden Fahrscheine in meiner Hand – an der Farbe mußte sich gleich gemerkt haben, daß sie weit reichten –, und da lächelte sie, das erste richtige Lächeln, das sie mir an diesem Abend schenkte, und sagte, ohne die geringste Überraschung zu zeigen: »Hallo, Fremder.«
    Erleichtert holte ich eine Zigarette hervor und bot auch ihr eine an, aber sie wollte keine. Sie schloß einfach wieder die Augen und kuschelte sich zum Schlafen hin. Außer einem Soldaten der Royal Air Force, der ganz vorn über seiner Zeitung eingenickt saß, war auf dem Oberdeck keine Menschenseele, darum lehnte ich ihren Kopf an meine Schulter, legte meinen Arm so richtig gemütlich um sie und dachte: Sicher wird sie ihn wegschubsen, und ich kriege ein Donnerwetter zu hören. Aber nein, nichts davon. Sie ließ ein kleines, glucksendes Lachen hören, nestelte sich wie in einem Lehnstuhl zurecht und sagte: »Man kriegt nicht jeden Abend die Fahrt umsonst und obendrein noch ein Kissen. Wecken Sie mich, ehe wir zur Anhöhe kommen, kurz vor dem Friedhof.«
    Ich hatte keine Ahnung, was für eine Anhöhe und was für einen Friedhof sie meinte, aber wecken würde ich sie auf keinen Fall, ich bestimmt nicht. Ich hatte die Fahrt bezahlt, und es war mein verdammt gutes Recht, sie auszukosten.
    Da saßen wir also beisammen, der Bus schaukelte mit uns durch die Gegend, und ich dachte bei mir: Das macht ja viel mehr Spaß, als zu Hause auf der Couch zu sitzen und Fußballnachrichten zu lesen oder den Abend mit den Thompsons bei der Tochter in Highgate zu verbringen.
    Allmählich bekam ich mehr Courage, lehnte meinen Kopf gegen ihren und drückte sie ein bißchen fester an mich, nicht allzu auffällig, eher zärtlich. Jeder, der auf das Oberdeck gekommen wäre, hätte uns für ein Liebespaar gehalten.
    Nachdem wir etwa das halbe Fahrgeld abgefahren hatten, bekam ich es mit der Angst. Der alte Kasten würde bestimmt nicht wenden, wenn wir die Sixpence-Grenze erreicht hatten; also ging's bis zur Endstation, und dort würde er über Nacht abgestellt werden. Und da säßen wir, das Mädchen und ich, verloren irgendwo weit draußen, ohne Bus für die Rückfahrt, und ich mit meinen paar lumpigen Münzen in der Tasche. Sechs Shilling hatte ich bei mir und keinen roten Heller darüber, das konnte niemals für ein Taxi mit Trinkgeld und allem Drum und Dran reichen. Außerdem würde ein Taxi dort draußen gar nicht zu haben sein.
    Was für ein Esel war ich doch gewesen, nicht mehr Geld einzustecken. Vielleicht war es dumm, sich deswegen den Kopf zu zerbrechen; ich hatte mich schließlich nur von einem Einfall treiben lassen, und wenn ich geahnt hätte, was mir der Abend bescheren würde, hätte ich mir die Brieftasche schon vollgestopft. Es kam nicht oft vor, daß ich mit einem Mädchen ausging, aber nichts ist mir verhaßter als Burschen, die nicht wissen, wie sich ein Kavalier dabei zu benehmen hat. Eine piekfeine Einladung gehört dazu – heutzutage gibt es ja sehr nette Lokale mit Selbstbedienung –, und falls sie nun Lust auf irgendwas Stärkeres als Kaffee oder Orangeade hätte, bitte schön. Heute abend wär es natürlich schon ein bißchen spät dafür, da war nicht mehr viel zu machen. Bei uns in der Gegend allerdings, da hätt ich mich schon ausgekannt. Da gab es eine Kneipe – der Chef kehrte dort auch manchmal ein –, wo man seine Flasche Gin bezahlte und sie dort in Verwahrung ließ, und wenn einen danach gelüstete, ging man hin und goß einen aus der eigenen Flasche hinter die Binde. Hab gehört, daß man dasselbe auch in den feinen Bars im West End machen kann, aber natürlich wird man da gewaltig übers Ohr gehauen.
    Hier kutschierte ich also in einem Bus,
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