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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo
Autoren: bach
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zu groß, und die blauen Augen hatten Schattenränder– das kam wohl daher, dass Klara früher so oft krank gewesen war. Immerhin hatte sie keine Sommersprossen wie Ettje, die sich schrecklich über die Sprenkel auf Stirn und Nase ärgerte und schon einmal versucht hatte, sich mit weißem Mehl zu pudern. Es hatte nicht viel genutzt, die braunen Tupfer leuchteten durch das Mehl hindurch, und sie hatte von der Großmutter eine saftige Backpfeife bekommen. Im Hause Dirksen verschwendete man keine Lebensmittel, schon gar nicht für die Eitelkeit, die eine schlimme Sünde war.
    » Ich wünschte, ich hätte Haare wie du«, flüsterte Klara. » So dicht und solche Locken.«
    Sie hatte den Lappen ausgewrungen und über den Rand der Schüssel gelegt, jetzt griff sie nach Charlottes langem Zopf. Man brauchte niemals ein Band oder eine Spange dafür; es genügte, das Ende um den Finger zu schlingen, dann entstand eine Ringellocke, die den Zopf zusammenhielt.
    » Wünsch dir das bloß nicht. Es ziept furchtbar beim Kämmen!«
    » Es fühlt sich ganz weich an. Und es glänzt blau.«
    » Blau?«, fragte Charlotte kichernd.
    » Nicht richtig blau. Nur ein klein wenig. Wenn das Licht darauf scheint. Schwarzblau. Silberblau…«
    Charlotte besah sich das Zopfende mit kritischen Augen und schüttelte den Kopf. Dann hob sie es in die Höhe, um es in den flimmernden Sonnenstrahl zu halten, der jetzt noch ein wenig heller und breiter geworden war. Dabei stieß sie mit dem Knie gegen die Waschschüssel, und das Wasser schwappte auf den Fußboden. Erschrocken wich Klara zurück, damit ihr Hemd nicht nass wurde.
    » Was treibt ihr denn da?«, rief Ettje von ihrem Bett hinüber. » Wisch das auf, Charlotte! Wenn das Wasser durch die Dielen läuft, tropft es in die Wohnstube hinunter.«
    » Das bisschen…«
    » Mach schon! Und dann zieht euch an. Aber fix!«
    Ettje stieg aus dem Bett, warf einen Blick in den leicht erblindeten Wandspiegel und zog sich selbst eine Grimasse. Dann hob sie schimpfend die Waschschüssel auf die Kommode und sah neiderfüllt zu, wie Charlotte den hölzernen Deckel ihrer Kiste aufklappte.
    » Schau– das könnte dir passen, Klara!«, flüsterte Charlotte.
    » Das ist zu fein für mich.«
    » Morgen ist Feiertag, und wir gehen zur Kirche, da ist es genau richtig. Das Kleid hat Mama genäht, der Stoff kommt aus Indien. Fühl doch mal, wie glatt er ist.«
    Ettje sah nicht hin, stattdessen rieb sie sich mit dem Lappen fest über das Gesicht und schnaube laut. Sie war vierzehn und hatte schon weibliche Formen, Charlottes Wäsche wäre ihr sowieso zu eng gewesen und die Kleider zu kurz. Trotzdem war es ungerecht.
    » Kämmt euch das Haar! Trödelt nicht so herum!«
    Charlotte musste unters Bett kriechen, um die hässlichen Holzschuhe hervorzuangeln, die sie im Haus der Großmutter tragen musste. Beim Aufstehen lugte sie neugierig zu Ettje hinüber, die gerade ihr Nachthemd heruntergeschoben hatte. Mama zog sich niemals vor den Kindern aus, daher war es für Charlotte aufregend, Ettjes Busen zu betrachten. Komisch schaute das aus, wie zwei Mückenstiche, die ordentlich angeschwollen waren. Die linke Seite war dicker, rechts musste wohl noch wachsen. Ein richtiger Busen war das nicht, wenn Ettje das Kleid anhatte, sah man nichts davon. Charlotte war froh, dass sie noch ein wenig Zeit hatte. Um nichts in der Welt wollte sie solche komischen Schwellungen an der Brust haben. Weshalb konnte man nicht einfach am Morgen aufwachen, und der Busen war fix und fertig, wie er sein musste?
    Klara war schon auf der Treppe, und Charlotte quetschte sich an ihr vorbei, um langsam vor ihr herzugehen.
    » Das musst du nicht, Lotte. Lauf hinunter in die Küche, ich komm schon nach«, flüsterte Klara verschämt.
    » Ich geh doch bloß langsam, weil ich mir vorhin den Zeh am Bettpfosten gestoßen hab!«
    Klara rutschte oft auf der Treppe aus und fiel die Stufen hinab, was niemanden hier im Haus besonders aufregte – man war daran gewöhnt. Aber Charlotte wollte nicht, dass Klara sich wehtat, deshalb lief sie auf der Treppe immer dicht vor ihr her, damit Klara sich an ihr festhalten konnte, falls sie ins Stolpern geriet.
    Unten saß Paul am Küchentisch und stopfte ein Butterbrot in sich hinein, dazu trank er warme Milch. Tante Fanny presste den Brotlaib gegen die Brust und schnitt schmale Scheiben ab, dazu gab es Butter und schwarzbraunes Birnenmus, das mit Wasser aufgekocht und verlängert worden war. Die Großmutter bereitete das
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