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Liliane Susewind – Delphine in Seenot (German Edition)

Liliane Susewind – Delphine in Seenot (German Edition)

Titel: Liliane Susewind – Delphine in Seenot (German Edition)
Autoren: Tanya Stewner
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Sommerferien
    »Da! Das ist die Nordsee!« Lillis Vater zeigte aus dem Fenster des fahrenden Wagens auf das graublaue Meer.
    Lilli war noch nie an der See gewesen und presste aufgeregt Stirn und Nase gegen die Scheibe. Das Wasser reichte bis zum Horizont.
    »Wir sind bald da«, sagte ihr Vater. »Die Pension muss hier irgendwo sein.«
    Lilli strich sich ihre widerspenstigen rostroten Locken aus dem Gesicht, um besser sehen zu können. Die Häuser, an denen sie vorüberfuhren, sahen allesamt aus wie ulkige kleine Hexenhäuschen mit Stroh auf dem Dach.
    »Nach zweihundert Metern rechts abbiegen«, sagte die freundliche Stimme des elektronischen Navigators.
    Lillis Mutter, die am Steuer des Wagens saß, stöhnte. »Da vorn kann man nicht abbiegen. Na toll!«
    »Keine Panik«, beruhigte Lillis Vater sie. »Fahr einfach weiter geradeaus. Wir finden es schon.« Herr Susewind ließ sich nur selten aus der Ruhe bringen.
    Lillis Mutter stöhnte erneut. »Hier sehen alle Straßen gleich aus! Wie sollen wir da dieses Haus Glücksdings finden?«
    »Haus Ferienglück«, verbesserte Lillis Vater schmunzelnd.
    »Ist doch egal, wie das heißt!«, sagte Frau Susewind missmutig. »Wir finden das nie im Leben! Dieser Navigator ist einfach zum –«
    »Regina!«, erklang die Stimme von Lillis Oma, die ebenfalls auf der Rückbank des Autos saß. »Denk an die Blumenwiese und zähl bis zehn!«
    Frau Susewind verstummte, und es schien, als zähle sie im Stillen. Lilli wusste, was es mit der Blumenwiese auf sich hatte. Ihre Mutter hatte vor einiger Zeit ein Stressbewältigungs-Seminar besucht und dort eine Technik gelernt, die man anwenden sollte, wenn einem alles zu viel wurde: Man dachte an etwas Schönes, zum Beispiel an eine Wiese mit Hunderten von Gänseblümchen, und dabei zählte man langsam bis zehn. Danach ging es einem besser. Bei Lillis Mutter hatte das schon einige Male gut funktioniert. Beispielsweise dann, wenn die hohen Anforderungen in ihrem Job wieder einmal überhandnahmen oder wenn sie sich nach Feierabend über irgendetwas aufregte – über das Fernsehprogramm oder den Nachbarn mit dem lauten Rasenmäher. Dann erinnerte Lillis Oma sie an die Blumen und das Zählen, und meistens beruhigte sie sich wieder.
    »Wenn möglich, bitte wenden«, empfahl der Navigator nun liebenswürdig. Sie fuhren in die falsche Richtung.
    Frau Susewind sog scharf die Luft ein. »Ich werde noch verrückt! So ein verdammter –« Sie brach mitten im Satz ab und schüttelte sich kurz wie ein Hund, der nass geworden war. Dann murmelte sie: »Gänseblümchen, Gänseblümchen, Gänseblümchen …« Mit konzentriertem Gesichtsausdruck wendete sie den Wagen.
    Lilli drehte betreten eine ihrer Locken um den Zeigefinger. Es war ihr ein bisschen peinlich, wie aufbrausend ihre Mutter war. Lilli wollte nicht, dass Jesahja einen schlechten Eindruck von ihr bekam. Jesahja Sturmwagner, ihr bester Freund, begleitete sie an die Nordsee. Seine Eltern waren drei Wochen lang auf Geschäftsreise, und da sie ihren Sohn nicht mitnehmen konnten, hatten die Susewinds vorgeschlagen, Jesahja solle den Sommerurlaub mit ihnen verbringen. Lilli hatte sich wie wild gefreut. Da sie ein Einzelkind war und nie viele Freunde gehabt hatte, war es etwas ganz Besonderes für sie, Jesahja dabeizuhaben. Zu zweit machte alles viel mehr Spaß!
    »Deine Mutter braucht dringend Urlaub«, raunte Jesahja Lilli nun zu und grinste aufmunternd.
    Lilli lächelte schief zurück. Jesahja kannte ihre Mutter noch gar nicht richtig, obwohl er seit ein paar Monaten bei ihnen ein und aus ging. Lillis Mutter arbeitete sehr viel und kam abends meist erst spät nach Hause. Auch an den Wochenenden war sie oft »beim Sender«, ihrer Arbeitsstelle, sodass Lilli ihre Mutter manchmal tagelang nur morgens am Frühstückstisch sah.
    Regina Susewind war Sprecherin der Nachmittagsnachrichten im Fernsehen. Jeden Tag um Punkt zwei Uhr, drei Uhr und vier Uhr ging sie auf Sendung und berichtete den Zuschauern, was in der Welt passiert war. Frau Susewinds Ziel war es jedoch, irgendwann einmal die Abendnachrichten zu sprechen oder sogar eine politische Talkshow zu moderieren. Deshalb stürzte sie sich mit Haut und Haaren in die Arbeit und hatte wenig Zeit für ihre Familie oder für Urlaub. Aus diesem Grund waren die Susewinds seit Jahren nicht mehr zusammen in die Ferien gefahren.
    »Madame von Susewind?«, ertönte plötzlich die durchdringende Stimme einer Katze aus dem Kofferraum. Lilli und die anderen im Auto
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