Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wandernde Welten

Titel: Wandernde Welten
Autoren: Cecelia Holland
Vom Netzwerk:
ERDE
Januar 1852 - Januar 1853
    »Diese Menschen waren Riesen«, sagte Tony. Er deutete auf die hochaufragenden Ruinen, vor denen sie standen. »Sie haben in immensen Maßstäben gebaut. Ihre Ideen waren absolut und universell...«
    »Sie waren Faschisten«, sagte Paula.
    »Man kann nicht alles haben.«
    Sie schlurfte mit den Schuhen über das Pflaster, zweitausend Jahre alt und mit Moos bewachsen. Geschichte war noch nie ihre Stärke gewesen. Weiter unten auf der Straße beugte sich ein Mann mit einem weißen Hut zurück, um Schnappschüsse von den Ruinen zu machen. Paula schritt die Stufen hinab und wandte den Kopf, um das Gebäude hinaufzublicken. Über dem Fries oberhalb der Tür hingen Steinmasken mit einer Inschrift. Sie versuchte die Worte zu buchstabieren. BRA...
    »Bist du noch nie hier gewesen?« fragte Tony. Er trat hinter sie, die Hände in den Taschen.
    »Einmal, als ich noch sehr klein war. Meine Mutter hat mich hergebracht. Später gab es Eis.« Warum war alles so gigantisch?
    Sie legte die Hand über die Augen, um die Buchstaben besser erkennen zu können. MANTE. Sie würde es später nachschlagen müssen.
    »Was war das Gebäude früher?«
    »Ein Museum. Oder eine Bibliothek. Irgend sowas.«
    Sie blickte umher. Beide Seiten der Straße wurden von Ruinen gesäumt. Gegenüber stand noch eine Wand, deren Fensterhöhlen vom Alter weich und rundgeschliffen worden waren.
    »Ich mag es nicht«, sagte sie. »Es wirkt so arrogant.«
    »Du bist ziemlich spießig.«
    Sie gingen die Straße entlang. Ihre Schritte hallten von den zerfallenen Mauern wider. Das Pflaster war hart, und Paula taten die Füße weh. Andere Menschen gingen an ihnen vorbei, die Köpfe in den Nacken gehoben.
    An der Straßenecke saß eine Frau vor einer Staffelei und malte.
    Tony ging direkt auf sie zu. Paula folgte ihm langsamer. Gegenüber vom Museum wucherten grüne Ranken über die letzte stehende Wand eines anderen Gebäudes. Die gelben Blüten der Sweet Mary wandten sich dem Licht zu. Paula überquerte die Straße, pflückte eine der Blumen ab und saugte an ihr, um an den Honig zu kommen. Auf dem Heimweg würde sie sich ein Eis kaufen. Die Stimmen trugen weit in dieser Straße. Wahrscheinlich wurden sie von den Wänden der Ruinen reflektiert. Sie konnte Menschen in der anderen Straße reden hören. Sie trat neben Tony.
    Er stand bei der Malerin, die Stirn kritisch gerunzelt. Amüsiert sah sie ihn den Kopf von einer Seite auf die andere drehen, um das entstehende Gemälde aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Er war eigentlich Kritiker, und kein Schriftsteller. Er kannte jede Pose.
    »Die Beleuchtung ist ein interessantes Problem«, sagte er.
    Die Frau spülte einen Pinsel in einer farbverklebten Tasse aus.
    »Das Licht wechselt von Tag zu Tag, beinahe von Stunde zu Stunde.«
    Paula blickte zum Himmel auf. Das Licht war diffus. Es fiel in blassen Bahnen durch die Spalten der Kuppelruine, hier blau, dort definitiv mehr gelblich. Man konnte sich kaum vorstellen, daß sie sich unter dem Ozean befanden. Tony unterhielt sich mit der Malerin über Kunst. Er schien etwas von dem Thema zu verstehen, aber Paula begriff nicht ein Wort von dem, was er sagte. Sie überquerte die Straße. Von hier aus konnte sie durch die verfallenen Mauern die nächste Reihe von Ruinen sehen, und dahinter eine weitere. Alles Reste von riesigen Bauten, die gigantischsten, die sie jemals gesehen hatte. Die Menschen, die diese Stadt erbaut hatten, waren drei Jahrhunderte lang die Herren der Erde gewesen und hatten sie mit Geld, Gewalt und List unterdrückt. Sie hatten den Mars kolonisiert, waren sogar bis zum Uranus gekommen, hatten Atome gespalten und ganze Städte aus Polymer errichtet.
    Manhattan war das Herz ihres Imperiums gewesen.
    »Sie scheinen etwas von Kunst zu verstehen«, sagte die Malerin zu Tony. »Malen Sie auch?«
    Er lächelte. »Ich bin Schriftsteller. Mein Name ist Tony Andrea.«
    »Sehr erfreut.« Sie reichten einander die Hände. Paula trat langsam auf sie zu und blickte auf das Aquarell. Es gefiel ihr nicht.
    Auf den engen Raum des Zeichenpapiers gedrängt wirkten die Gebäude klein und dürftig, wie zerbrochene Schachteln. Sie steckte die Hände in die Jackentaschen und blickte wieder an den Ruinen hinauf.
    »Sind Sie auch Schriftsteller?« fragte die Malerin.
    Paula schüttelte den Kopf. »Ich bin...«

    »Wir sind uns noch nicht darüber im klaren, was Paula ist«, sagte Tony,
    Sie gingen weiter, die Straße entlang. Ein breites,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher