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Magic Girls 06 - Späte Rache

Magic Girls 06 - Späte Rache

Titel: Magic Girls 06 - Späte Rache
Autoren: Marliese Arold , Petra Schmidt
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    E r war so müde, dass er kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Doch er musste weiter, um das unselige Ding loszuwerden, das er in seinem Rucksack trug. Manchmal spürte er, wie es im Inneren des Rucksacks rumorte. Dann und wann glaubte er auch, ein gemeines Flüstern zu hören.
    Du wirst mich nie los, nie!
Silkus Kordus stöhnte. Es half nichts, er musste stehen bleiben und eine Pause einlegen. Schließlich war er nicht mehr der Jüngste. Mit seinen 136 Jahren hatte der Zauberer sein bestes Alter längst überschritten. Zwar hatte er nicht mehr Falten als mit fünfzig Jahren, und auch sein graues Haar war noch voll und dicht. Aber seinen Knochen konnte er nichts vormachen. Die merkten jede Wetteränderung, da half auch kaum ein Zauberspruch. Und seine Gelenke knackten und knirschten inzwischen fast bei jedem Schritt, besonders bei so einer anstrengenden Wanderung wie jetzt.
    Silkus befand sich in den Schwefelbergen, einer sehr unwirtlichen Gegend. Es war vulkanisches Gebiet. Der Boden war hart und steinig, und in der Luft lag Schwefelgeruch, der das Atmen schwer machte. Einige Male wäre Silkus fast gestürzt, als er über den schwarzen Basalt geklettert war.
    Alles, was du tust, ist vergebens!
    |10| Da war sie wieder, die tückische Stimme aus dem Rucksack. Der Schweiß rann Silkus übers Gesicht. Der Zauberer nahm den Rucksack ab und setzte sich erschöpft auf einen großen Stein, der aus erkalteter Lava entstanden war. Stirnrunzelnd sah er zu, wie sich der Rucksack an manchen Stellen ausbeulte, als befände sich darin ein wildes Tier.
    Aber es war kein Tier, sondern ein Buch. Ein
gefährliches
Buch.
     
    Silkus Kordus erinnerte sich noch genau an den Abend, an dem es in seine Hände gelangt war. Der Zauberer hatte wie gewohnt den Tag im Archiv der
Magischen Universität
verbracht und war seiner Arbeit nachgegangen. Es war seine Aufgabe, magische und zauberische Gegenstände zu sammeln und zu ordnen, insbesondere Flüche. Im Laufe der Zeit war schon eine stattliche Anzahl zusammengekommen. Silkus Kordus musste sie katalogisieren, also ein schriftliches Verzeichnis anlegen, und einen sicheren Platz für jeden einzelnen Fluch finden – einen Platz, wo der Fluch keinen Schaden anrichten konnte.
    An diesem Tag war es spät geworden. Silkus hatte mehrere Regale umräumen müssen, weil darin kein Platz mehr für die neu angekommenen Flüche war. Es erwies sich als eine Riesenarbeit, und Silkus fluchte innerlich, weil er überhaupt damit begonnen hatte. Eigentlich hatte er bereits Dienstschluss, aber noch immer war der Boden mit magischen Gegenständen und den dazugehörigen Schildchen bedeckt. Silkus Kordus musste aufpassen, dass er nicht versehentlich auf einen Fluch trat, der ihm einen violetten Ausschlag verpasste oder ihn ab sofort nur noch mit der Stimme eines Kanarienvogels zwitschern ließ. Silkus konnte das Archiv nicht verlassen, |11| bis er die Ordnung einigermaßen wiederhergestellt hatte. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als Überstunden zu machen. Silkus Kordus hatte mit den Zähnen geknirscht. Der Job als Archivar fraß ihn allmählich auf …
    Gegen zehn Uhr Abends – Silkus konnte kaum noch die Arme heben, seine Schultern schmerzten unerträglich – hatte es dann an der Tür geklopft.
    Silkus ließ verwundert ein getrocknetes Ochsenauge sinken. Wer wollte da zu so später Stunde noch ins
Archiv der Flüche
? Und überhaupt – wie war der Besucher hereingekommen? Hatte die
Magische Universität
nicht schon seit Stunden geschlossen? Das
Archiv der Flüche
, in dem Silkus Kordus arbeitete, befand sich im Keller eines Turms, der
Morgenstern
genannt wurde. Normalerweise war die Tür zum Turm außerhalb der Öffnungszeiten des Archivs abgeschlossen.

    Wieder klopfte es, diesmal lauter und ungeduldiger.
    »Ja, ja, ich komme schon!« Vorsichtig bahnte sich der Archivar einen Weg zur Tür. Als er davor stand, fragte er: »Wer ist da?«
    »Das tut nichts zur Sache«, antwortete eine tiefe Stimme, die Silkus nicht kannte. »Bitte macht auf, es ist dringend!«
    »Das Archiv hat schon geschlossen«, sagte Silkus streng. Er hasste nichts mehr als Besucher, die Sonderbehandlungen beanspruchten. »Kommt morgen wieder, zu den normalen Öffnungszeiten.«
    »Das geht nicht«, kam die Antwort. »Morgen ist es zu spät.«
    |12| Silkus Kordus zog eine Grimasse. Typisch! Der Besucher war wieder einmal einer von jenen Leuten, die sich überaus wichtig nahmen und meinten, dass alle anderen nach ihrer
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