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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)
Autoren: Torsten Sträter
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verschludern, könnte er sich eine Rasierklinge besorgen und daheim mit seinem eig e nen Blut Schindluder treiben, hatte sein Chef ihm flüsternd zu verstehen gegeben. Drecks-Akademiker. H ielt ihn für einen Bummler, egal, wie sehr er hetzte, wie oft er geblitzt wurde, wie stark er schwitze. Die Hitze war in den letzten Wochen ständig angestiegen, und an manchen Tagen meinte Knocke, sein Hirn schwimme in zähem Gelee.
    Es war einfach nicht fair.
     
    »Die Sieben und eine Packung Luckys«, sagte er.
    Der schockgefrostete Jeansboy schaute ihn verständnislos an.
    »Lucky Strike. Zigaretten. «, knarrte Knocke ungeduldig . » Nik o tinhaltige, stark süchtig machende Tabakstäbchen mit Papie r ummantelung . «
    »Ist mir klar. Aber soll das auch auf Ihre Firmenkarte?«
    Gar nicht so dumm, der Vogel , dachte Knocke. Den üblichen » Ich wollte sie ja bezahlen, aber der Dummkopf hinter der Kasse hat sie auf Karte gebucht «- Trick konnte er diesmal abhaken.
    »Natürlich nicht. Separat.«
    Er hatte noch eine gute Stunde, wie immer zu wenig.
     
    Als er die Tür nach draußen passierte, spürte er augenblicklich, wie der Schweiß aus seinen Poren schoss; zwanzig Grad Te m peraturunterschied bescherten seinem Kreislauf eine Achte r bahnfahrt.
    Hinter seinem Wagen parkte ein Smart, schwarzweiß wie ein Killerwal, zudem die Cabriovariante. Hinter dem Steuer saß ein junges Mädchen, die Sonnenbrille ins Haar gesteckt, mit schlanken, gebräunten Armen und dem Lächeln eines Me n schen, dem Autofahren Spaß bereitete.
    Ihr Blick blieb an seinem geröteten Altherrengesicht hängen; nur eine Sekunde, aber es reichte, um Knocke eines klar zu machen: Sie verachtete ihn um seines Alters, seines Schweißes, seines Lebens willen.
    »Schickes Auto«, sagte er, keinen Zweifel daran lassend, wie er es wirklich meinte.
    »Schön kühl. Ihres auch?«, erwiderte sie.
    Ihr wissendes Lächeln biss schmerzhaft in seinen Stolz.
    »Weißt du«, sagte er, wobei er sich etwas zu weit in den Wagen lehnte, »mein Caddy ist heiß. Jou. Aber es ist ein Wagen, i m merhin.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wenn so eine Karre«, er wies in ihr Auto, »neben einem fährt – und das tut sie verdammt selten – denke ich immer, da kann nur ein beschissenes Playmobil-Männchen drinsitzen.«
    Er lachte heiser und schlug mit der Hand auf die Motorhaube des Smart, wobei er einen schmierigen Abdruck hinterließ.
    Es war wirklich sehr heiß.
     
    Er schaute auf die Uhr in den Armaturen.
    Es war a chtzehn Uhr z wölf, das Innenthermometer zeigte noch immer e inunddreißig Grad, und WDR 4 ließ »karibische Träume« vom Stapel.
    Die Musik wehte weitgehend ungehört zum Seitenfenster hi n aus, denn Knocke stand unter Druck. Um a chtzehn dreißig war Probenabgabe im Labor, und er hatte noch dreißig Kilometer vor sich. Ihm war übel von der Bifi, die er aus der Seitenablage gefischt hatte, und seine Füße produzierten jedes Mal ein na s ses Quatschen in seinen Schuhen, wenn er die Pedale trat.
    Das scharfe Fiepen des Radios riss ihn aus seiner triefenden Lethargie.
    »Stauschau. A 42 zwischen Kreuz Castrop - Rauxel und Kreuz Recklinghausen, drei Kilometer … «
    »Hm«, grunzte er.
    » … A 43 zwischen Bochum - Riemke und … «
    »Scheißdreck!« Das war seine Strecke.
    Sein Finger schnellte nach vorn und brachte ihn zurück in die Karibik, weg von allen schlechten Nachrichten, weg von einer übellaunigen, hochbezahlten Laborleitung in kompetentem Weiß, deren Finger auf das Zifferblatt ihrer Uhr klopften.
    Fürs erste.
    Sein Blick wanderte zum Spiegel, und was er sah, besserte seine Laune nicht.
    Er kniff kurz die Augen zusammen, als Schweiß ihm hinein zu laufen drohte, und öffnete sie dann wieder.
    Ein Smart, lackiert wie ein Killerwal, zog heran; er kam schnell näher, und Knocke war wahrhaftig nicht langsam; sein Tacho wies hundertsechzig Stundenkilometer auf.
    Er spürte das Blut in seinen Ohren rauschen.
     
    Der Smart benötigte nur zwanzig Sekunden, um zu Knocke aufzuschließen, weitere fünf, um ihn einen Blick ins Innere werfen zu lassen.
    Es war der selbe Wagen, es war die selbe Frau; ihre Knöchel traten weiß hervor, so fest umklammerte sie das Lenkrad.
    Sie drehte ihm den Kopf zu.
    Knockes schon seit Stunden hart ackerndes Herz schien kurz zu pausieren; es fühlte sich an wie eine Sturzfahrt einen k o chenden Wasserfall hinunter.
    Ihr Gesicht war leergefegt von allen Empfindungen, ihre Haut durchzogen von feinen Verästelungen blaugrauer Adern,
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