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Scream

Scream

Titel: Scream
Autoren: Chris Mooney
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I
    Larry Roth konnte nichts mehr sehen. Panik beschlich ihn, doch dann ahnte er, was in ihm vorging, und er entspannte sich. Es gab keinen Grund zur Besorgnis. Dieser Sinnesausfall war nur vorübergehend und bloß eine jener Halluzinationen, die Jack Daniel’s, sein teurer Freund, Retter, Prophet und Vertrauter seit nunmehr dreißig Jahren, heraufbeschworen hatte. Sein alter Kumpel hatte, ganz wie man es von ihm erwarten konnte, einen Friedhof voll dunkler Schatten in den Windungen seines Gehirns entstehen lassen, die eigentlich für Gedanken und Erinnerungen reserviert waren. Diesmal hatte er es sogar geschafft, die Verbindung zwischen Gehirn und Gliedmaßen zu kappen. Larry Roth war nicht nur blind, er konnte sich auch nicht bewegen.
    Aber nur für begrenzte Zeit. Bald würde der Generator wieder anspringen und seinen Körper mit einem Schauer eisiger Kälte in Zuckungen versetzen und lebendig werden lassen. Larry würde wieder Kontrolle über seinen Bewegungsapparat gewinnen, allmählich und begleitet von Ekel, Schüttelfrost und Spasmen. Wenn er sich dann, Galle spuckend, mit zitternden Händen am Rand der Kloschüssel abstützen und ins Wasser starren würde, gingen nach und nach die Lichter wieder an wie Neonleuchten in einer muffigen Turnhalle. Bruchstückhafte Erinnerungen und Gedanken kämen zurück, und er sähe sich gezwungen, sich seinen jüngsten Eskapaden zu stellen.
    Seit neuestem waren die Resultate durchaus beängstigend.
    Er atmete durch die Nase ein, nahm die Luft tief in sich auf und achtete allein darauf. Der Nebel lichtete sich ein wenig. Er spürte, wie ihm der Schweiß aus den Poren drang, über die Stirn rann und zwischen den Haaren versickerte. Ihm schien es, dass er auf dem Rücken lag, doch sicher konnte er sich nicht sein. Warum liege ich auf dem Rücken?, fragte er sich. Es war ihm wichtig, dass, wenn er die Besinnung verlor, auf der Seite oder auf dem Bauch zu liegen kam, denn er hatte schon etliche Male davon gehört, dass Leute an ihrem eigenen Erbrochenen erstickt waren.
    Ohren, Augen und Mund waren auf seltsame Weise gespannt. Er suchte nach einer Erklärung.
    Und dann, als bräche die Sonne durch dichte Wolken, sah er ein verschwommenes Bild an den angeflämmten Rändern seines Bewusstseins aufscheinen – und sofort wieder hinter Wolken verschwinden. Es hatte irgendetwas mit
    ( Ashley )
    dem Club zu tun. Ja, im Club. Richtig. Mit seinen
    ( Ashley )
    Plänen für diesen Abend.
    Er dachte nach, kam aber nicht darauf und wartete, dass das Bild wieder auftauchte. Wartete und wartete … vergeblich.
    Er hatte sich mit solchen Aussetzern längst abgefunden und wusste, dass es das Beste war, Ruhe zu bewahren und auszuharren, bis er wieder klarer sehen konnte.
    Die Kehle kratzte. Er versuchte zu schlucken, doch sein Mund war so trocken wie Zeitungspapier. Tief durchatmen.
    In sein stockdunkles Gefängnis drang von außen das Geräusch brechender Wellen. Der Strand. Er war in der Nähe des Strandes. Okay, gut. Außerdem waren Stimmen zu hören, Leute, die sich unterhielten und miteinander lachten – manche ganz nahe, andere weiter weg. Er konzentrierte sich auf diese Stimmen, versuchte, sie mit Gesichtern in Verbindung zu bringen, doch sie blieben undeutlich, und was er hörte, klang wenig vertraut. Plötzlich krachte und donnerte es. Unmittelbar darauf folgten Gejohle und Applaus.
    Ein Feuerwerk.
    Heute ist der 4. Juli.
    Schlagartig wurde ihm alles klar. Er hatte mit seinen Golfpartnern im Speisesaal des Clubs gesessen, eine großartige Neun-Loch-Runde Revue passieren lassen und dabei einen Whisky nach dem anderen gekippt. Gütiger Himmel. Irgendwann, es war schon Abend geworden, hatte er auf die Uhr geblickt und feststellen müssen, dass er schon längst zu Hause hätte sein sollen. Ashley und er waren mit den Cranmores auf deren Yacht verabredet. Kein Wunder, dass er sich die Kante gegeben hatte. Die Cranmores waren schreckliche Aufschneider, die immer nur von ihrer Villa in Frankreich und ihrer Skihütte in Vail schwärmten. Aber seine Frau hatte sie sehr gern.
    Er erinnerte sich, darüber nachgedacht zu haben, ob er sich noch ans Steuer setzen sollte und, falls er in eine Kontrolle geraten würde, den Cops von Marblehead weismachen könnte, völlig nüchtern zu sein, dass er aber selbst dann, wenn er ungehindert durchkäme, zu spät sein würde. Statt auf der Yacht zu sitzen, weitere Whiskys zu trinken und der Frage nachzugehen, an welchen Körperteilen Sophia Cranmore diesmal
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