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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)
Autoren: Torsten Sträter
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Stimme zu hören; alles, was ich vernahm, waren ihre nassen Schnupperlaute zwischen den Sätzen.
    Ich war der einzige Gast im Bistro, und die Bedienung nahm keine Notiz von den Vorgängen – ein Alptraum!
    Die Löwin sprach weiter auf mich ein, und ihre Schnurrhaare vibrierten dabei.
    Ich starrte sie an, hoffend, dass sie nicht merkte, dass ich k a piert hatte, in welcher Gefahr ich schwebte. Ihr muskulöser Hals, über und über mit sandfarbenem Fell bewachsen, endete in einer weißen Baumwollbluse mit aufgestickten Röschen. Eine ihrer Tatzen schnitt scharf in meinen Arm, als sie ihn ergriff , und dann kam der erste verständliche Satz:
    »Schauen Sie her!«
    Ihr Maul öffnete sich, und ich sah sechs Zentimeter lange Reißzähne in erschreckend rosafarbenem Zahnfleisch; ihre Zunge war ein hellbrauner Lappen von der Größe eines Wi e nerschnitzels, und als sie ihren Löwenkopf zu mir beugte, ve r sagte mir die Blase.
    Ich rannte auf die Straße, und sie folgte mir nicht.
    Ich traue mich nicht, mit jemandem darüber zu reden.
     
    Sie rufen jetzt schon nachts an.
    Gestern klingelte das Telefon, und als ich es an mein Ohr hielt, erfüllte ein digitalisiertes Brüllen mein Schlafzimmer. Ich legte schreiend auf.
    Es klingelte gegen vier Uhr morgens erneut, und diesmal klang es eher wie ein Schakal: D as Heulen hinterließ ein Rauschen in meinen Ohren, das bis zum Vormittag blieb, aber mein Telefon klingelt nie wieder.
    Mein guter alter Hammer hat es verstummen lassen.
    Seit dieser Nacht sind es noch mehr geworden.
    Noch drohen sie mir lediglich; sie bauen sich vor mir auf und fletschen die Zähne, nah genug, um mein Gesicht abzufressen wie das Innere einer Kokosnuss – aber sie tun es nicht!
    Sie lassen mich in ihre Schlunde starren, während ihr nach Steppe und Fleisch stinkender Atem meine Brille beschlagen lässt, aber sie kommen nicht zu nahe.
     
    Seit Kurzem nehme ich Amitrioxid . N ur kleine Dosen, um das nachhallende Rauschen in meinem Kopf zum Verstummen zu bringen. Es gibt mir eine gewisse Distanz zu den Dingen, ohne mich allzu sehr zu lähmen. Früher nahm ich verschiedene Bluthochdruckpräparate, und zwar stets mit dem nötigen G e fühl für gewissenhafte Medikation. Amitrioxid ist etwas ernster, aber es ist schließlich nur vorübergehend.
    Ich muss nur die Dosierung im Auge behalten. Amitrioxid sind keine Drops, und der Körper schreit schneller danach, als man denkt.
    Trotzdem – es hilft. Ich stelle mir vor, dass die Angst schmilzt wie Softeis, während die Tablette zu wirken beginnt.
    Gerade eben habe ich wieder eine geschluckt.
    Ich spüle sie mit Wasser runter, hoffend, dass sie eher wirken, als das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelt. Meistens funktioniert es.
    Wenn die chemische Fee ihren zarten Schleier über mich senkt, dimmt sich jedes Löwengebrüll zu einem Miauen herunter.
     
    An Arbeit ist nicht zu denken.
    An zuhause bleiben leider auch nicht, das wäre zu auffällig.
    Meine Gedanken rasen durch meinen Kopf: S ie dürfen nicht merken, dass ich Angst habe. Sie dürfen nicht erkennen, dass ich sie erkannt habe. Ich muss mich tarnen, so wie sie es tun, wenn sie in freier Wildbahn auf Beutezug sind. Nur , das s ihre Tarnung äußerlich ist, meine nicht.
    Ich hocke in meinem Büro und ignoriere die krächzende Sprechanlage.
    Ich habe vor einer Woche mit dem Amitrioxid angefangen, und mittlerweile ist aus der Fee eine Walküre geworden. Unter fünf Tabletten wird der Schleier über meiner Wahrnehmung in Fetzen gebrüllt.
    Fluvoxamin?
    Ich werde es testen.
     
    Ich musste mich gerade heftig in das Waschbecken meines Büros erbrechen.
    Meine Magensäure hat eine Qualität angenommen, die besser in einer Autobatterie zur Verwendung käme.
    Trotz meiner strikten Anweisung, niemanden vorzulassen, ha t te man mir eine Hyäne hereingeschickt.
    Sie trug eine Montur von Levis, und so sehr ich versuchte, mich auf das kleine rote Wimpel an der Jeansjacke zu konze n trieren, scheiterte ich doch.
    Der gedrungene Schädel der Bestie war so dicht vor meinem Gesicht wie kein anderer zuvor.
    Ich sah einen Metallstift in der grauschwarzen Zunge des Ti e res, der grünlich angelaufen war, aber der Atem war das Schlimmste.
    Er stank nach Tod und Fäulnis . Hyänen sind Aasfresser. Dann sprach das Tier, vermutlich um mich zu quälen:
    »Sehen Sie?«
    Die Tiermenschen achten stets darauf, allein mit mir zu sein, wenn sie ihre Reißzähne blecken, um mich erblicken zu lassen, was mich erwartet.
    Wann wird das
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