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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben
Autoren: Derek B. Miller
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dich erkannt, bevor du überhaupt geboren wurdest.»
    Erst da traut Rhea ihren Ohren, und nur ihren Ohren. Denn obwohl er direkt vor ihr steht, hatte sie ihn nicht am Aussehen erkannt. Und das hätte sie auch nicht, wenn er in Morgenmantel und Pantoffeln mit seinem Kaffeebecher in der Hand vor ihr gestanden hätte, denn er kann unmöglich hier sein. Er kann unmöglich existieren, in dieser Welt, in diesem Augenblick.
    «Papa?»
    «Rhea», sagt er.
    Lars ist nicht hier, und Sheldon hat das dumpfe Gefühl, er muss tot sein.
    Der Junge – körperlich unversehrt – steht in der Ecke. Er ist zu traumatisiert, um sprechen zu können.
    «Papa!», schreit sie.
    Enver wird jetzt mit dem Jungen aufbrechen. Und zuvor wird er den alten Mann töten.
    Sheldon taumelt rückwärts, als Enver näher kommt. Er lässt das Gewehr fallen und zückt das Messer zu einem letzten Angriff. Er will die Klinge Enver in die Kehle rammen, aber er hat keine Kraft mehr. Die willkürlichen Gesetze der Zeit haben ihm die letzte Energie geraubt.
    Todesmutig springt er mit dem Messer auf Enver zu. Doch er verfehlt ihn.
    Envers Stich ist ebenso heftig wie präzise. Er zieht sich von Sheldons linker Halsschlagader bis hinunter zur Brust.
    Sheldon presst die rechte Hand auf die Kehle, torkelt dann rückwärts in die Küche und stößt gegen den Tisch.
    Nachdem das erledigt ist, packt Enver den Jungen – der jetzt laut schreit – und schleift ihn durch die Hintertür nach draußen. Die Schreie des Jungen sind ohrenbetäubend, und Enver brüllt ihn auf Albanisch an, er soll den Mund halten. Sonst werde er ihn schlagen. Doch der Junge hört nicht auf.
    Er hört auch dann nicht auf, als Enver ihn zu dem Quadrunner auf der Rückseite des Hauses führt, der darauf wartet, sie nach Schweden zu bringen.
    Er hört nicht auf zu schreien, als in seinem Augenwinkel ein schwarz uniformierter Mann mit einem kleinen kurzen Gewehr erscheint.
    Und er hört nicht auf zu schreien, als er Lars Bjørnsson sieht, der wie ein Gespenst hinter einer mächtigen Buche mit einem Compoundbogen auftaucht und einen Karbon-Komposit-Pfeil direkt ins Herz des Monsters schießt.
    Sheldon kann sich nicht mehr sicher sein, was er als Nächstes sehen oder hören wird.
    Das Leben – was immer das sein mag – sickert aus ihm heraus. Vielleicht ist Rhea aufgesprungen und hat den Mann, den Sheldon zu erschießen versucht hat, zum Fenster hingestoßen, und vielleicht ist, als sie dies tat, irgendwie seine Brust explodiert, als ob stumme Kugeln von außerhalb des Fensters ihm den Brustkorb zertrümmert hätten. Und ohne ein Geräusch von sich zu geben, fällt auch der letzte Mann, der mit seiner Pistole schweigend in einer Ecke gestanden hatte, leblos zu Boden.
    Vielleicht ist sie zu Sheldon hinübergelaufen und hat ihn gestützt, ihn zur Eingangstür hinübergezogen, während sie «Papa, Papa!» rief.
    Vielleicht stolperten sie zusammen zur Vordertür hinaus, stürzten auf den kühlen Boden, vielleicht sickerte sein Blut in die Erde.
    Eins war jedoch sicher: Das Licht um ihn herum war strahlend hell und wunderbar.

    Eine Frau erscheint. Sie trägt Uniform und hat ein freundliches Gesicht. Eine Krankenschwester, nimmt er an. Er sieht schwarz gekleidete Männer, die an ihm vorbeihasten. Vielleicht sind es Krankenpfleger. Diese Krankenschwester da lächelt ihn an. Es ist das warmherzige, liebevolle Lächeln eines Menschen, der gute Neuigkeiten hat.
    Mabel hat das Kind zur Welt gebracht. Es jetzt alles vorüber.
    Sheldon streckt die Hand aus und berührt Sigrids Wange.
    «Mein Sohn. Ist er gesund? Geht es ihm gut?»
    «Ihrem Sohn geht es gut, Mr. Horowitz. Es ist alles in Ordnung mit ihm.»

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[zur Inhaltsübersicht]
    Danksagung
    Dieses Buch wurde 2008 in Genf, Oslo und Fornalutx geschrieben. Das Ende entstand kurz vor der Geburt meines Sohnes Julian im April jenes Jahres.
    Ich bin nicht sicher, wie viel von diesem Buch von mir stammt und wie viel Sheldon selbst dazu beigetragen hat. Ich beziehe ihn daher für seine gesamte Unterstützung in meinen Dank ein. Was nicht bedeutet, dass es einfach gewesen wäre, mit ihm zusammenzuarbeiten …
    Die Definitionen von «Snarf» und «Twerp» stammen aus einem Interview mit Kurt Vonnegut in der
Paris Review
von 1977 . Ich nehme mal an, er hätte Spaß daran.
    Der Leuchtturm von Palmi-do auf Incheon wurde 1903 erbaut. 2006 wurde er durch einen modernen ersetzt. Doch der nur acht Meter hohe Turm steht immer noch da, nun im Schatten
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