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Das Glück ist eine Katze

Titel: Das Glück ist eine Katze
Autoren: Eva Berberich
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|9| Vom Trauern
    Wenn jemand nicht mehr da ist, den man liebhatte, fällt man in ein tiefes, dunkles Loch. Der Liebgehabte kommt nie mehr wieder.
     Er kann ein Mensch gewesen sein, ein Hund, ein Goldhamster, ein Baum, den der Sturm umgeworfen hat. Oder ein Kater. Ein schwarzer
     Kater mit weißer Schwanzspitze. Ein Saukater, Angeber, Lügenbold, Faulpelz, Macho. Mephistopheles. Mein lieber Stoffele.
    Hab dich nicht so, sagen die Freunde. Kater gibt’s genug, Katzen auch. Ich kenn da jemand, der hat eine, die hat gerade –
     such dir eins aus, aber bloß nicht wieder ein Schwarzes. Jetzt bist du ein freier Mensch, sagen sie, bist nicht angebunden
     an so einen Katzenschwanz, kannst ausgehen, herumreisen, den Duft der großen weiten Welt atmen. Mußt dich nicht immer nach
     jemand umgucken, der das Viech versorgt. Kannst endlich morgens ausschlafen, sagen sie, ohne daß dich einer wachbrüllt. Was
     du brauchst, ist Schlaf, viel Schlaf, |10| siehst eh schon aus wie ’s Kätzle am Bauch. Und keiner pinkelt an anderer Leute Haustüren, sagen sie, singt nächtliche Lieder,
     raubt den Nachbarn den Schlaf, scheißt in ihr Salatbeet. Ein Kater, sagen sie, ist ein Kater, und sonst gar nichts. Um einen
     Kater so zu trauern – gehört sich das? Gestern sind bei einem Busunglück sechzehn Menschen umgekommen. Trauerst du um die?
     Was du jetzt Geld sparst! sagen sie. Der Kerl hat dich ja arm gefressen.
    Und: Jetzt kannst du das Haus entflohen. Wird auch Zeit!
    Und: Lach doch mal! Man rennt nicht mit Trauermiene durch die Gegend. Trauer ist bäh!
    Und: Nun übertreib’s mal nicht!
    Und: Reiß dich zusammen!
    Und: Denk nicht dran!
    Und: Hab dich nicht so!
    Und: Lach doch mal wieder!
    Und: Nimm’s nicht so schwer!
    Und: –
    Dann kommt mir einer zu Hilfe. In seinen Tagebuchaufzeichnungen lese ich:
    Incipit, lamentatio: Muzi. Unsere Muzi ist gestorben. Samstag, fünf Minuten vor Mitternacht   ... das sehen zu müssen... so sah ich sie leiden, sah es kommen... ach liebe Muzi, daß ich dir nicht helfen konnte... mir
     liefen die Tränen... sahst Du es
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auch? Hast Du es je gesehen, das Elend Deiner Kreaturen? Als Schöpfer läßt Du Dich glauben und besingen... Wär ich der Schöpfer,
     ich rechnete es mir zur Schmach... Hast Du ein Herz, hast Du Augen, Ohren? Erbarmender – daß ich nicht lache! Ach mein Herr
     und mein Gott! Im Leiden und Sterben meiner Katze begegne ich Dir. Es ist etwas in mir, das sich weigert, Dich aus der Haftung
     für das Weh der Kreatur zu entlassen... Nein, nein, Herr, ich glaube nicht, daß Du mich mit der banalen Auskunft abwimmelst,
     das sei eben die Ordnung der Natur... Schau her! Siehst Du das? Und es sind seit Anbeginn und es werden bis zum Ende Millionen
     sein... Sie stirbt.
    Der da mit Gott hadert, weil dieser seine geliebte Katze sterben ließ, ist der Theologe Fridolin Stier.
    Wenn so jemand so trauert, dann muß ich mich auch nicht schämen. Ohne eine anständige tiefe Trauer heilt kein Schmerz.
    Ich will kein katzenfreier Mensch sein. Ich will an einem Katzenschwanz hängen. Will morgens wachgebrüllt werden, ich brauch
     nicht so viel Schlaf. Ich will mein Geld für Katzendosen rauswerfen. Warum soll ich in der Welt herumreisen, wenn keiner da
     ist, der daheim auf mich wartet? Vor der Tür sitzt, wenn ich vom Einkaufen komme? Mit dreckigen Pfoten auf die frischgebügelte |12| Wäsche springt, sich dort niederläßt und mich anschnurrt?
    Ich will’s schwernehmen. Will nicht lachen. Ich will heulen, ohne ein schlechtes Gewissen zu kriegen.
    So habe ich Stoffele, meinen schwarzen Kater mit der weißen Schwanzspitze, betrauert, wie es sich gehört. Auf dem kleinen
     Grab unter der Birke wächst ein Busch Katzenminze.

|13| Schmuddelkatz
    An einem Märzmorgen lag ein Brief im Kasten. Vom Pfarramt dieses kleinen Ortes in der Umgebung, wo der nette Polizist jedesmal,
     wenn er mein Auto irgendwo stehen sieht, gerannt kommt und mir einen Strafzettel unter den Scheibenwischer klemmt, weil, wie
     er entschuldigend sagt, die Gemeinde knapp bei Kasse sei.
    S ehr geehrte Unbekannte
, las ich,
ich habe um drei Ecken herum gehört, daß der Kater, der vorzeiten einige Monate mein Pfarrhaus unsicher machte und dann nach
     Oberweschnegg auswanderte, sich bei Ihnen häuslich niedergelassen hat. Ein wilder schwarzer Teufel, kann ich nur sagen, und
     ein großer nächtlicher Sänger, und ausgerechnet unter meinem Fenster. Es war die Hölle. Er hat allen Katzen im weiteren Umkreis
     des
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