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Das Glück ist eine Katze

Titel: Das Glück ist eine Katze
Autoren: Eva Berberich
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Verhältnis zu uns Menschen geht. Der Gedanke ist richtig. Die Bewunderung ist ganz auf unserer Seite.
    »Menschen«, sagte sie, »ziehen uns immer ihre Namen an. Aber die passen nicht. Hängen an einem rum. Muffeln nach Mensch. Die
     sollen sie gefälligst selber behalten.«
    »Keine Angst, du kriegst einen eigenen, nicht nach Mensch muffelnden Namen.«
    »Wenn du noch wilder schaukelst, fällt er dir bestimmt ein«, sagte sie hoffnungsvoll. »Einen Namen will ich, so wild wie ich
     jetzt guck.« Sie guckte sehr wild.
    Ich schaukelte gehorsam wilder – und noch wilder – dann stieß ich mit der Rückenlehne des Schaukelstuhls an die Wand hinter
     mir, es schepperte, und als ich mich umdrehte, lag das Bild auf dem Boden und war aus dem Rahmen gefallen: eine Fotografie,
     uralt, von anno dazumal, aus dem Foto grinsten meine Geschwister und ich, ziemlich dümmlich grinsten wir, sechs, vier, zwei
     Jahre |26| alt, alle mit eindrucksvollen Zahnlücken, und jeder hatte etwas Geliebtes im Arm, einen Bär mein Bruder, einen Has meine Schwester,
     und ich, ich drückte Schlumpel an mich.
    Schlumpel: aus alten Stoffetzen zusammengenäht, weich und warm, verschmuddelte, ehemals weiße, verrutschte Socken, rotes Haar,
     im runden Gesichtchen funkelten gläserne grüne Knopfaugen. Pfiffig war sie, und ich hatte oft das Gefühl, sie mache sich über
     jemand oder etwas lustig, ihre Mundwinkel zeigten immer nach oben. Neugierig war sie, sagte gern freche, nein, rotzfreche
     Sachen, genau die, die zu sagen ich mich nicht traute, und sie war geradezu vorbildlich schlampig. Nichts haßte sie mehr als
     ein aufgeräumtes Kinderzimmer, am liebsten schlief sie im Katzenkörbchen und bekam Flöhe, was unsere Katze keineswegs störte,
     die hatte auch welche. Ich liebte Schlumpel über alles, viel mehr als den lieben Gott, was ich Schwester Gertrud, der Religionslehrerin,
     anvertraute, die sagte, das sei eine sehr schwere Sünde und gegen das erste Gebot, das müsse ich unbedingt beichten, und Schlumpel
     müsse aus dem Haus. Aber ich hab es nicht gebeichtet, hab die Sünde behalten und beschlossen, mit Schlumpel aus der Religion
     und dem lieben Gott auszuziehen. Doch eines Tages war sie weg, spurlos verschwunden, vielleicht hatte sie der Teufel geholt, |27| zur Strafe, weil ich sie ja mehr liebte als den lieben Gott. Sie kam nie mehr wieder. Ich war allein. Schlumpelseelenallein.
     Wurde krank, wollte sterben, konnte kein »sch« mehr aussprechen, starb aber nicht und lebe heute noch. Auch habe ich inzwischen
     keine Schwierigkeiten mehr mit Wörtern mit einem »sch« vorne, hinten oder in der Mitte.
    »Heureka!« sagte ich, und noch mal: »Heureka!«
    Sie schlenkerte die Pfote, wie Katzen es tun, wenn sie unbegeistert von irgendwas sind.
    »Das ist kein Name«, beruhigte ich sie, »›heureka‹ bedeutet ›ich hab’s!‹ Der es gerufen hat, heißt Archimedes und war ein
     alter schlauer Grieche.«
    Auch dieser Name wurde kräftig pfotenbeschlenkert.
    »Keine Angst, den kriegst du nicht. Er hat das spezifische Gewicht gemeint, von Gold, glaub ich. Aber ich hab deinen Namen
     gefunden: Schlumpel.«
    »Rumpel, Pumpel, Humpel«, sagte sie und klappte bei jedem Wort die Augen auf und zu. »Lumpel, Bumpel, Wumpel, Mumpel, Zumpel   –« Sie kratzte sich mit Inbrunst.
    »Nein«, sagte ich, »Schlumpel.«
    »Schlumpel«, wiederholte sie und schnüffelte. »Riecht wild.«
    |28| »Das ist dein wahrer, dein richtiger, dein hergeschaukelter Name, gerade eben ist was runtergefallen, und dann ist er mir
     eingefallen.«
    Schlumpel zog sich den Namen über die Ohren, sagte »paßt«, und »nix mit Schlachten!« Dann sprang sie von meinem Schoß, trottete
     zu ihrem Körbchen, bestieg es und rollte sich darin zurecht. »Schlumpel geht ein bißchen unter.«
    »Wie bitte?«
    »Wie die Sonne. Das macht die jeden Abend. Und morgen geh ich wieder auf.« Dann war sie weg.
    »Schlumpel«, sagte ich glücklich, »du bist wieder da. Nach so vielen Jahren! Und du liegst wieder im Katzenkörbchen.« Ich
     kratzte mich am Bein. »Flöhe hast du auch. Bist halt eine Schmuddelkatz.«

|29| Geschäfte
    Ich füllte das grüne Plastikwännchen mit Katzenstreu – selbstverständlich biologisch abbaubar, mit praktischer Klumpenbildung
     – und stellte es ins Kabäuschen hinter der Küche neben die Waschmaschine.
    »Was ist das?« fragte Schlumpel.
    »Das ist dein Klo. Wenn du mal mußt.«
    »Hab schon eins. Ein riesengroßes.«
    »So? Wo denn?«
    »Der Garten.
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