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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben
Autoren: Derek B. Miller
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Schuppen und schließt die Tür hinter sich. Drinnen ist es dunkel und warm. Der Raum ist so eng, dass Sheldon sich zum ersten Mal riechen kann. Sein Körper stinkt, er ist mit Erde und Pilzen beschmiert, mit Vogel- und Wurmexkrementen. Mit jeder Faser ist er Teil der Erde, des Erdbodens geworden – mit Ausnahme seiner blauen Augen, die noch immer die scharfen Lichtstrahlen aufnehmen, die durch die Ritzen im Dach dringen.
    Da ist ein Rechen, daneben drei unterschiedlich große Schaufeln. Ein nicht ausgewaschener, steifer Malerpinsel und ein zusammengerolltes, brüchiges Tau. Utensilien zum Bogenschießen, Angelzeug. Und dort, über ihm, ein wenig über das Regal hinausragend, ein schmaler Lederkoffer von der Hälfte einer Gewehrlänge.
    Sheldon zerrt an dem Koffer und bemüht sich, ihn nicht zu verkratzen, als er ihn herunterhievt. Das Ding ist schwerer als gedacht. Oder ist er selber schwächer geworden?
    Er möchte sofort raus aus dem Verschlag, weiß aber, dass ein Gewehr ohne Munition ihm nichts nützt. Wenn er hier erwischt wird, könnte man ihn kampflos töten. Es ist aber ein zu großes Risiko, jetzt zu gehen und das Gewehr zusammenzubauen, nur um später noch mal wiederkehren zu müssen. Es muss hier geschehen.
    Er versucht, nichts umzustoßen, als er den Koffer vorsichtig auf den staubigen Boden legt und dabei aufmerksam auf Geräusche von draußen achtet. Noch immer ist nichts zu hören. Der Gewehrkoffer ist alt und hat ein Zahlenschloss mit drei Ziffern, die man per Daumen einstellen kann. In den 1960 er Jahren verwendete man oft 007 , zu Ehren von Sean Connery, und Sheldon versucht es, doch ohne Erfolg. Die Werkseinstellung ist in den meisten Fällen 000 , und er versucht auch diese Kombination, ebenfalls erfolglos.
    «Das kann ja den ganzen Tag so weitergehen», sagt Bill.
    «Warum ist es immer Bill? Warum nicht Mabel? Oder Saul? Oder Mario? Oder jemand, an dem ich auf der Autobahn vorbeigefahren bin. Warum kommst du hierher, angezogen wie der besoffene irische Pfandleiher von nebenan?»
    «Ich dachte, du mochtest ihn gern.»
    «Ja, ich mochte ihn, und ich vermisse ihn. Und deshalb nehme ich es dir übel, dass du in seinem Aufzug hier auftauchst. Ist die Sache mit dem brennenden Dornbusch jetzt passé? Machst du jetzt lieber einen auf Ire?»
    «Es ist lange her, dass wir ein ernsthaftes Gespräch geführt haben. Mir fehlen unsere Unterhaltungen.»
    «Ich habe dir nicht mehr zu sagen als vorher. Wenn überhaupt, dann bist du mir jetzt mal eine Erklärung schuldig. Also verpiss dich, ich habe zu tun.»
    Sheldon dreht den Koffer behutsam um, damit er die Messingscharniere untersuchen kann. Er schiebt die Klinge des Messers unter das erste Scharnier. Dann klemmt er einen kleinen Stein unter die Klinge und schafft so einen Hebelpunkt. Ein kräftiger Druck, und das Scharnier bricht auf.
    Ebenso verfährt er mit dem zweiten Scharnier.
    Er sieht auf die Uhr. Es ist noch mehr Zeit vergangen. Mehr fällt ihm dazu nicht ein.
    Er weiß, dass es leicht knarren wird, und hebt daher den Deckel ganz vorsichtig an. Zu seiner Überraschung ist nur ein Gewehr drin.
    «Welches der beiden bist du? Moses oder Aaron? Hast du einen Makel, oder bist du der Bruder, der es ins Gelobte Land geschafft hat?»
    Behutsam nimmt Sheldon den Lauf aus dem Koffer und wiegt ihn in der Hand. Seit Jahrzehnten hat er keine Waffe mehr in der Hand gehalten. Und wollte auch nie mehr eine halten müssen. Doch hier, in seinem improvisierten Tarnanzug, auf dem Boden des staubigen Geräteschuppens, wird ihm wieder bewusst, wer er vor so langer Zeit einmal gewesen ist, mit einer Zuversicht und Klarheit, die er seit Jahren vermisst hat.
    Es ist eine Remington Model Seven mit einem 20 -Zoll-Lauf, das, wie Donny findet, auch gern einen 22 -Zoll hätte haben können, nur so wegen der größeren Genauigkeit. Munition soll an einem separaten Ort aufbewahrt werden, aber Lars scheint dem Versteck und dem verschlossenen Koffer zu trauen. Es sind fünf . 308 er Winchester-Patronen da, die er nur zu gut kennt, weil sie in etwa die gleiche Größe wie die 7 . 62 -mm- NATO haben. Sie sehen aus wie ein Flaschenhals ohne Rand, 100 bis 300 pro Tag hat er seinerzeit verfeuert – damals am New River.
    Die Remington ist jedoch eine Einzelschusswaffe mit Kammerverschluss. Die Art von Gewehr, die ein Vater und sein Sohn besitzen würden. Nichts Ausgefallenes. Einfach eine gute Jagdwaffe mit einem Schaft aus festem Walnussholz und einem altbewährten Zielfernrohr von
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