Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben
Autoren: Derek B. Miller
Vom Netzwerk:
Bausch & Lomb.
    Donny setzt den Lauf in den Schaft und montiert die Waffe, öffnet den Verschluss und schiebt ihn beiseite. Es ist leichtgängig und gut geölt. Mit dem Finger überprüft er die Kammer, um sicherzugehen, dass sie leer ist, dann steckt er eine Patrone hinein und lässt mit einer festen, ruhigen Bewegung den Verschluss wieder in seiner Nut einrasten.
    Nachdem die Waffe gesichert ist, nimmt er die verbleibenden vier Patronen aus dem Koffer und steckt drei davon in die Brusttasche seiner Jacke unter dem Tarnanzug. Die letzte steckt er sich hinter das rechte Ohr.
    Noch einmal kontrolliert Sheldon den Schuppen, um zu sehen, ob er etwas übersehen hat – einen Hinweis oder auch das andere Gewehr. Da sind Zielscheiben aus Papier, Lockvögel, Schneeschuhe und ein Paar Ski, ein paar seltsame Schnüre mit grell gefärbten Enden, die von einem Haken herabbaumeln, eine leere Pappröhre, wie die, in denen man Baupläne transportiert, und zwei alte, stark abgenutzte Tennisschläger, mit denen wahrscheinlich gerade an Tagen wie diesem viel gespielt worden ist.
    Er überlegt, ob er den Koffer wieder zumachen und wegpacken soll, und beschließt, dass es die paar Sekunden, die er dazu braucht, wert sind. Er ist es nicht gewohnt, in so einer Krisensituation zu agieren. Ist nicht auf den Druck vorbereitet, den eine Geiselnahme produziert. Als Scharfschütze hat er allein gearbeitet oder zusammen mit einem Spotter. Er wurde irgendwo abgeladen, machte sich dann auf die Suche nach seinem Ziel und ging in Position. Dabei konnte er zumeist ganz seinem eigenen Rhythmus folgen. Er rannte nicht herum wie ein nervöser Polizist, der sich fragt, was er als Nächstes tun soll.
    In seinem Tarnanzug und jetzt endlich auch bewaffnet, beginnt sich Donnys Haltung zu verändern. Er hört auf zu schwitzen, und auch den stechenden Schmerz im Kreuz spürt er nicht mehr. Sogar seine Hände fühlen sich lockerer an.
    Doch dann ändert sich sein Ziel.
    Als er sich vom Schuppen kommend dem Haus nähert, sieht er zwei Gestalten, die von den Stallungen her auf die Eingangstür zugehen.
    Eine große und eine kleine. Der Große zieht den Kleinen hinter sich her. Sie sind mehr als hundertfünfzig Meter weit entfernt, hinter Bäumen und Büschen.
    Wann hat er zum letzten Mal einen Schluck Wasser getrunken? Heute Morgen? Nein, es war im Pick-up.
    In geduckter Haltung huscht er den Pfad zum Haus hinauf.
    Es ist ein schlechter Winkel. Ein schrecklicher Winkel. Einer der schlimmsten Winkel überhaupt. Er bewegt sich senkrecht auf ein mögliches Ziel zu, was diesem die längstmögliche Zeit gibt, ihn zu entdecken. Sie steuern denselben Punkt an. Sheldon ist näher dran und schafft es vielleicht früher zum Haus, aber er wird keine Zeit haben, sich in Stellung zu bringen. Er wird völlig exponiert sein. Und er hat keine Ahnung, wer das da ist.
    Doch dann kommt ein kleines Geschenk. Oben von Lappland weht eine Brise herab, die den Duft von Wacholder und Schnee mit sich trägt. Die Brise versetzt die Bäume, zwischen denen sich Sheldon bewegt, in Bewegung. Um ihn herum rascheln und zittern die Blätter und geben ihm Schutz.
    Nur fünfzig Meter vom Haus entfernt dünnt die Vegetation aus, und er weiß: Es muss hier und jetzt geschehen. Er lässt sich auf den Bauch fallen und rutscht ein paar Meter nach links, wo der Boden ein wenig ausgewaschen ist: Die Erde ist dort nicht so festgetreten wie auf dem Pfad. Er legt sich flach hin und zupft den Tarnanzug zurecht.
    Nachdem er den Wind und den Lichteinfall überprüft hat, geht er in Schussposition.
    Donny legt das Gewehr an und überprüft die Sicht.
    Es wäre gut, jetzt einen Spotter zur Verfügung zu haben. Ein großer Schütze war zwar nie aus Hank geworden, doch als er zum Spotter wurde, erwies er sich als überraschend effizient. Es lag zum Teil daran, dass er so gutmütig und leichtgläubig war und genau das tat, was man von ihm verlangte. Zum Teil lag es aber auch daran, dass er – im Unterschied zu Mario – unfähig war, das, was er tat, auch zu hinterfragen. Er war gut darin, die richtige Entfernung zum Ziel auszumachen und hilfreiche Tipps zu geben, wo der Schütze sich platzieren sollte. Und obwohl er ein ziemlicher Trottel war, verhielt er sich bei der Arbeit mucksmäuschenstill.
    Doch Hank ist jetzt nicht hier, und Donny muss selbst entscheiden, wie er schießen will.
    Der Große ist ein unauffälliger Mann in einer schwarzen Lederjacke, der einen Unterhebelrepetierer am Balancepunkt direkt vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher