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Ein Quantum Tod: Roman (German Edition)

Ein Quantum Tod: Roman (German Edition)

Titel: Ein Quantum Tod: Roman (German Edition)
Autoren: Simon R. Green
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Kapitel 1
    Der Gefangene
    Der November war halb vorbei, aber ich konnte nicht schlafen.
    Ich war nicht sicher, wie lange ich schon gepennt hatte, aber es fühlte sich an, als wäre es eine ganze Weile. Als ob ich einen Winterschlaf gehalten hätte und warm und geschützt eingepackt tief und fest durch Kälte und Dunkelheit hindurch geschlafen hätte. Aber etwas wollte mich nicht in Ruhe lassen, und so war ich jetzt hier und ging in einem stillen, leeren Haus einen langen, leeren Korridor hinab.
    Es gab keinen Übergang. In einem Moment hatte ich tief geschlafen, im nächsten wanderte ich ziellos einen gemütlich aussehenden Korridor hinunter, der mit einem dicken Teppich ausgelegt war und getäfelte Wände und große, weite Fenster besaß. Ich erkannte irgendwie, wo ich war, konnte es aber nicht benennen. Ich hätte nicht einmal meinen Namen sagen können. Ich hatte auch keine Ahnung, wo ich war, aber seltsamerweise schien mich das nicht zu kümmern. Ich hatte keine Erinnerungen und keine Pläne. Keine Bedürfnisse, keine Sorgen. Da war nur ich, wie ich durch ein leeres Haus ging.
    Die Umgebung kam mir bekannt vor, und eine vage Neugier brachte mich dazu, mir die Porträts genauer anzusehen, mit denen die Wände geschmückt waren, an denen ich entlangging. Die Gesichter kamen mir ebenfalls bekannt vor, aber bei keinem fiel mir ein, wie sie hießen. Sie schienen freundlich und auf meiner Seite zu sein. Als wären sie Familie. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich mich in diesem leeren Schweigen wohl oder irgendwie bedroht fühlen sollte. Oder vielleicht beides.
    Wer war ich? Wie lautete mein Name? Ich blieb stehen und konzentrierte mich, runzelte die Stirn, bis sie wehtat, und dann fiel mir endlich etwas ein. Drood. Was war das? War das überhaupt ein Name? Was zur Hölle war ein Drood, wenn das hier ein Heim war?
    Ich ging weiter und kam bald ans Ende des Korridors. Ich bog nach rechts ab, wo sich ein weiterer Flur vor mir erstreckte. Ich ging weiter. Immerhin hatte ich so etwas zu tun, während ich meine Gedanken ordnete. War ich der Einzige an diesem leeren Ort? Eine mittelalterliche Ritterrüstung ragte neben mir auf, ein Impuls ließ mich daneben innehalten. Das solide Eisen war sorgfältig poliert, aber dennoch waren die Dellen, Kratzer und Beulen eines langen Arbeitslebens darauf zu sehen. In der Vergangenheit hatte jemand diese Rüstung in einer lange vergessenen Schlacht getragen, das schimmernde Schwert und den Schild benutzt, die beide danebenstanden. Ich runzelte wieder die Stirn. Diese Rüstung ... sie bedeutete mir etwas. Etwas Besonderes. Ich beugte mich vor, um sie genauer zu betrachten, und erst da bemerkte ich, dass die ganze Rüstung mit dickem Raureif bedeckt war. Ich streckte den Finger aus, um den schweren, stählernen Brustharnisch zu berühren, aber ich konnte weder Metall noch Frost spüren.
    Ich trat zurück und sah mich um. Der Boden, die Wände und die Decke waren allesamt von Frost und dicken Eiskrusten überzogen. Selbst die großen Fenster waren mit dicken Eisblumen bedeckt. Warum also war mir nicht kalt? Ich sah an mir herab. Ich trug ein einfaches, weißes T-Shirt und gewöhnliche Jeans. Meine Arme waren nackt, aber die Kälte sorgte nicht einmal für Gänsehaut. Ich ging zum nächsten Fenster und rieb die Eisblumen mit meinem nackten Unterarm fort. Ich fühlte nichts. Ich sah aus dem Fenster – überall herrschte Winter. So weit ich sehen konnte, bedeckte Schnee den Boden, glatt und unberührt und ganz ohne Spuren von Mensch oder Tier. Ein weiter Ozean von Weiß erstreckte sich, so weit ich sehen konnte. Aber kein Schneefall, auch wenn sich um das Fundament des Hauses leichter grauer Nebel kräuselte.
    In den auf und ab fallenden Schneewehen standen in der Ferne hier und da Formen, die Skulpturen hätten sein können. Geflügelte Pferde, Greifen und etwas, das ein halb vergrabener und echt riesiger Drachenkopf hätte sein können. Sehr detailliert, aber völlig still. Sie waren wie aufmerksame Wächter auf der Schneeebene verteilt. Es gab auch ein riesiges Heckenlabyrinth, dessen komplizierte Wege und Kurven ein großes Muster ergaben, wenn man sie von oben betrachtete. Weiße Linien und dunkle Schatten. Und dann sah ich, dass sich in diesem Labyrinth etwas bewegte, etwas, das sich manchmal über die engen Pfade erhob und wieder verschwand und sich mit unbändiger Kraft zwischen den Hecken fortbewegte. Es tauchte hier und da wieder auf, zu schnell für mich, um es zu
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