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Inspiration – Du sollst mein sein!

Inspiration – Du sollst mein sein!

Titel: Inspiration – Du sollst mein sein!
Autoren: Heike Wolter
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    »Hey, Linda, warte mal, du hast Fanpost.«
    Milton Billings, seit Jahren Bürobote und der Mann für alle Fälle bei Norden Productions, lief mit einem Umschlag in der Hand eilig hinter Bellinda Carlyle her, die an diesem Morgen gerade die Eingangshalle durchquerte. Ihre wilde rotblonde Lockenmähne schwang über ihren schlanken, von einem schwarzen T-Shirt verhüllten Rücken, als sie sich zu Milton umdrehte und ihn lächelnd begrüßte. Obwohl Milton sie schon tausend Mal hatte lächeln sehen, blieb ihm kurz die Luft weg.
    Eigentlich war Bellindas Gesicht nicht wirklich außergewöhnlich. Sie hatte zwar schöne, große, hellgrüne Augen, aber ihre Nase war ein klein wenig zu kurz und ihr Mund eine Spur zu breit, um als klassisch schön zu gelten. Ihr Lächeln allerdings war eine durchschlagende Waffe, und es gab kaum einen Mann bei Norden Productions, der nicht glücklich gewesen wäre, der Empfänger dieses Lächelns zu sein.
    Milton kannte viele Arten von Lächeln. Die unbeteiligte, stereotype Art, mit der man einem Gesprächspartner eine flüchtige Form von Aufmerksamkeit vorgaukelte. Dann die hochnäsige, überlegene Variante, mit der man dem anderen bedeutete, dass er ein absolutes Nichts war. Verlegenes Lächeln, wenn jemand sich bei irgendeiner Sache nicht sicher war oder sich bei irgendetwas ertappt fühlte. Oh, es gab so unendlich viele Arten davon.
    Doch Bellindas Lächeln war einzigartig. Wenn sie ihre Mundwinkel nach oben zog, die Lippen leicht öffnete und die Grübchen in ihren Wangen erschienen, dann ging ein Strahlen über ihr ganzes Gesicht. Für kurze Zeit wähnte sich ihr Gegenüber im Mittelpunkt der Welt und sonnte sich in ihrer Aufmerksamkeit.
    Es gab einige in der Firma, die der Meinung waren, eine Frau mit Bellinda Carlyles Ausstrahlung gehöre vor die Kamera und nicht in ein schäbiges kleines Büro. Doch das hatte die junge Frau bereits mehr als einmal kategorisch abgelehnt. Im Mittelpunkt zu stehen war nicht nach ihrem Geschmack.
    »Fanpost? Milton, du musst dich irren. Ich hab noch nie Fanpost bekommen, mich kennt doch gar keiner da draußen. Die Leute schreiben immer bloß an die Schauspieler, nicht an die Drehbuchautoren.«
    Milton streckte sich auf seine ganzen 1,78 m, was ihn allerdings bestenfalls auf gleiche Höhe mit der für eine Frau ziemlich hochgewachsenen Bellinda brachte.
    »Nö, der ist wirklich für dich.« Er wedelte mit dem Umschlag vor ihrem Gesicht herum. »Schau doch, da steht dein Name drauf.«
    Sie runzelte verwirrt die Stirn. Eigenartig … sie kannte keinen einzigen Drehbuchautor in ihrer Preisklasse, der jemals Fanpost erhalten hätte; schließlich war sie nicht Steven Spielberg. Ihr Beitrag zur Unterhaltung der Massen bestand zurzeit im Skriptschreiben für Sitcoms, die irgendwann am späten Vormittag über die Mattscheibe flimmerten, wenn die normale Hausfrau gerade ihre Bügelwäsche erledigte oder sich vor dem Mittagessen eine wohlverdiente Pause gönnte. Unwahrscheinlich, dass auch nur einer der Zuschauer überhaupt wusste, wer die Skripte für die täglichen Lachattacken im Wohnzimmer schrieb.
    Mit einem unbehaglichen Gefühl steckte sie den Umschlag ein. Sie bedankte sich bei Milton und ging in ihr Büro im zweiten Stock des Gebäudes, wobei die Bezeichnung »zweiter Stock« allerdings über die tatsächliche Höhenlage hinwegtäuschte. Im Erdgeschoss des riesigen, lang gestreckten Betonquaders befanden sich neben dem Eingangsbereich nämlich ausschließlich die Studios, in denen die täglichen Produktionen abgedreht wurden. Diese Räume waren mehr als sechs Meter hoch und fensterlos, so dass die darüberliegenden Büros allesamt in einem normalen Gebäude wahrscheinlich das dritte oder vierte Stockwerk gebildet hätten.
    Bellinda schloss die Tür hinter sich und kramte die Lesebrille aus ihrer großen Tasche, die sie auf den alten Stuhl neben der Tür warf. Dieser Stuhl, ein merkwürdig unproportionierter Schreibtisch, ein leicht abgewetzter Drehstuhl, ein nüchternes Aluminiumregal voller Ordner und ein alter zerkratzter und windschiefer Kleiderständer waren die einzigen Einrichtungsgegenstände in diesem winzigen Büro, das gerade mal gute drei Meter lang und zweieinhalb Meter breit war.
    Immerhin hatte Bellindas Klause ein Fenster, was nicht jeder der etwa zwanzig Drehbuchautoren von seinem persönlichen Schuhkarton behaupten konnte; ansonsten waren die Büros alle ihrem eigenen ziemlich ähnlich. Allerdings nutzten die wenigsten ihrer Kollegen
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