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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen
Autoren: Lucie Flebbe
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1.

    Vor mir stand ein Schlumpf.

    Ein kleiner, stinkender Schlumpf, der zu allem Überfluss
hicksende Heulgeräusche von sich gab wie ein defekter Feuermelder.

    Mein Name ist Lila, ich bin zwanzig Jahre alt und ich
habe definitiv den falschen Job.

    Dabei war heute erst mein zweiter Tag als Praktikantin in
der Schlumpfgruppe des Zwergenland -Kindergartens
in Bochum-Langendreer. Aber es war bereits die dritte vollgeschissene Hose an
diesem Vormittag und die brachte mich dazu, meine Berufswahl zu überdenken.
Wieso zum Teufel hatte ich mich zu dieser Arbeit überreden lassen?

    Â»A-a«, jaulte der breitbeinig vor mir stehende rothaarige
Schlumpf namens Till mit tränenüberströmtem Gesicht.

    Gehörte der Toilettendienst eigentlich nur zu meinem
Aufgabenbereich?

    Ich sah zu Doro und Birgit hinüber. Die Erzieherin und
die Gruppenleiterin waren mindestens genauso zuständig.

    Doch die taten dreist, als würden sie Tills Gejodel überhören.
Durch das mit tanzenden Schneemännern aus Tonkarton beklebte Fenster
betrachteten die Frauen tuschelnd die Hinterteile der beiden Hausmeister, die
im Außenspielbereich ein im Sand stehendes Klettergerüst reparierten.

    Auch ich warf einen kurzen Blick nach draußen. Gut, das
Gesäß vom alten Berti war wahrscheinlich nicht das Objekt des allgemeinen
Interesses. Die fünfzig Kilo Übergewicht seines Bauchs zogen ihn nach vorn,
wodurch der hintere Bereich der blauen Arbeitshose heruntergerutscht war und
die Aussicht auf zwei nicht gerade knackig wirkende Arschbacken freigab.

    Zweifellos war es die Hinternansicht von Bertis neuem Kollegen,
die die Aufmerksamkeit der beiden Kindergärtnerinnen fesselte. Von vorn
betrachtet hätte der Neue in seinem verschmierten Blaumann, dem kratzigen
Strickpullover und der tief ins schlecht rasierte Gesicht gezogenen Mütze
Bertis fünfzig Kilo leichterer kleiner Bruder sein können. Doch aus unserer
momentanen Perspektive betrachtet, war unübersehbar, dass sein Hintern die Hose
ausfüllte.

    Â»A-aaaaaa!«, schrie Till jetzt so trommelfellvernichtend
laut, dass mir die Grenzen meines Aufgabenbereichs augenblicklich wurscht
wurden.

    Â»Ist ja gut!«, zischte ich gereizt. »Komm schon mit.«

    Seufzend betrachtete ich den nassen braunen Fleck auf der
Rückseite von Tills winziger – oha! – Levis-Jeans, während ich das kreischende
Kind in den Waschraum mit den winzigen Kindertoiletten schob. Im Vorbeigehen
schnappte ich mir eine Ersatzhose aus dem für derartige Notfälle bereitstehenden
Pappkarton.

    Ich hasste diesen Job.

    Â 
    Â»Na, haste alles im Griff, Süße?«, quatschte mich
jemand an, als ich Tills Gekreische eine gute Viertelstunde später endlich
abgestellt hatte und ihn wohlriechend wieder ins allgemeine Gewusel entließ.

    Die Stimme war mir näher gekommen, als es sich gehörte,
denn sie berührte als warmer Lufthauch mein Ohr und roch nach Kaffee. Als ich
mich umdrehte, sah ich den Ärmel eines dunkelgrauen Strickpullis über die
Bartstoppeln unter der Nase wischen.

    Ein Blick durch die Glastür, die in den Außenspielbereich
führte, sagte mir, dass die beiden Erzieherinnen die Hausmeister inzwischen mit
einem Becher Kaffee vor den frostigen Januartemperaturen gerettet hatten.

    Der dicke Berti stand schniefend vor den beiden Frauen.
Mit seinen Gartenhandschuhen umschloss er den Kaffeebecher, der in seinen
Pranken wie eine Puppentasse wirkte, während er das Neueste von seiner
Bandscheibe berichtete.

    Sein Kollege mit dem knackigen Hintern hingegen war zu
mir herübergeschlendert, und die Blicke von Doro und Birgit verrieten mir, dass
das nicht der Plan der beiden Erzieherinnen gewesen war.

    Die Augen des Mannes waren schmutzig grau und kalt wie
die Wolken am Winterhimmel. Sein Blick wanderte prüfend an meinem engen,
schwarzen Rollkragenpulli hinunter. Das dunkle Outfit hatte ich ausgesucht,
weil es seriöser wirkte als die bunten Schlabberpullover mit Blumenaufnähern,
die ich normalerweise bevorzugte. Der amüsiert glitzernde Blick des
Hausmeisters blieb an dem durchsichtigen Plastikmüllbeutel hängen, aus dem
Tills Markenjeans ihren unangenehmen Duft verströmte.

    Â»Ich hab immer alles im Griff«, knurrte ich.

    Â»Okay.« Der Möchtegerngärtner zog sich die Mütze von der
Glatze, stopfte sie in die Tasche seines schmierigen Blaumanns und lehnte sich
lässig an die
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