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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben
Autoren: Derek B. Miller
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übertönen. «Fahr da rüber zum Mercedes.»
    Sie funkt ihre Position ans Revier. Sie weiß, dass alle dort auf Nachrichten warten. Aber es gibt keine. Also gibt es auch nichts zu sagen.
    «Soll ich die Straße blockieren?»
    «Ich möchte, dass du diesen Feldweg da hinauffährst, so weit du es mit dem Auto schaffst.»
    «Es ist kein Vierradantrieb.»
    «Natürlich nicht. Warum sollte es auch?»
    «Ich glaube nicht, dass wir als Erste dort eintreffen sollten», sagt Petter.
    «Ich glaube, jemand sollte jetzt dort sein», sagt Sigrid. «Fahr den Wagen den Feldweg hoch, bis es keinen Feldweg mehr gibt – oder kein Auto. Das ist ein Befehl!»
    Petter fährt den Feldweg hoch, für den Lars aus guten Gründen nur sein Motorrad benutzt. Er legt einen niedrigen Gang ein und brettert hinauf. Das Auto wackelt und hüpft und kämpft sich voran. Beide denken dasselbe. Sigrid spricht es als Erste aus.
    «Wenn sich jetzt gleich die verdammten Airbags in diesem Volvo aufblasen, sind die Schweden geliefert, das schwöre ich dir!»
    «Dort. Dort oben. Da ist das Feld, das wir auf der Karte gesehen haben.»
    «Da scheint gar nichts im Gange zu sein. Siehst du, ob da irgendetwas abgeht? Wo sind denn diese Männer?»
    «Hier ist ein Funkloch. Zwischen den Bäumen habe ich keinen Empfang.»
    «So, das wär’s. Wir müssen zu Fuß weiter.»

    Es ist dunkel drinnen im Haus. Sheldon hat das kaputte Gewehr wie ein britischer Earl die Schrotflinte nach einer guten Entenjagd unter den linken Arm geklemmt. Mit der rechten Hand hält er das Messer. In der Diele sind Stiefel, Schals, Mützen und Jacken. Da sind Angelruten und ein Karton mit Kerzen. Mehr als das kann er nicht erkennen. Es spielt aber auch keine Rolle. Die physische Umgebung ist nicht mehr von Bedeutung. Er ist nicht mehr Donny, der junge Soldat von den grünen Hügeln des westlichen Massachusetts, der zum New Yorker, zum Ehemann und gescheiterten Vater werden sollte. Er ist nicht mehr der Mann, der er im Krieg war. Der Mann, der darum kämpfte, seinen Platz zu finden. Hier und jetzt, verkleidet wie ein Narr unter den Verrückten, wird er zu dem Mann, der er immer sein wollte.
    Er späht in die Dunkelheit, das Gewehr unterm Arm, und ruft so laut und klar, dass niemand im Haus auch nur irgendeinen Zweifel an dem haben kann, was gesagt wird: «Hier spricht General Henrik Horowitz Ibsen. Und ihr seid umstellt!»

23. Kapitel
    Im Wohnzimmer, gleich neben der Küche, mit offenem Zugang zur Diele, bekommt Gjon die Pistole des Schwarzen in die Hand gedrückt, als der General sich ankündigt. Burim schwitzt und hält das Messer in der verkrampften Faust. Ungläubig schaut Enver in die Küche.
    «Du sagtest, wir wären nicht allein», sagt er auf Albanisch zu Zezake.
    «Ich hatte recht.»
    Enver brummt etwas. Der Schwarze hält immer noch sein eigenes Gewehr. Enver hat sein Messer im Gürtel stecken.
    «Soll ich ihn mir vorknöpfen?», fragt der Schwarze.
    «Bleib bei dem Mädchen. Wir brauchen sie vielleicht als Druckmittel.»
    «Was sollen wir tun?»
    «Ich gehe mit meinem Sohn nach Schweden. Du», sagt er, «und du und du, ihr haltet mir den Rücken frei und sorgt dafür, dass das auch passiert!»
    Burim läuft der Schweiß mittlerweile in die Augen, und als Enver das sagt, möchte er wie ein kleines Kind an Adrijanas Halsbeuge weinen und alles rückgängig machen, jeden Streit, jedes dumme Widerwort, das er je von sich gegeben hat. Möchte ihr sagen, dass sie in allem recht hatte. Dass alles furchtbar schiefgelaufen ist und er nie begriffen hat, dass das hier zu keiner Zeit ein Spiel war. Es hatte nur so … surreal gewirkt. Wie ein Traum oder eine Halluzination. Er war in einem Universum umhergetappt, das er nicht verstand, und er hatte nie gewollt, dass irgendetwas von all dem hier je geschah. Dass es überhaupt so weit kommen würde.
    «Ich gehe!», ruft Burim, und bevor einer der drei Männer etwas sagen kann, ist er schon in die Küche gesprungen.
    Mit fünf Sätzen hat er den Küchentisch umrundet, und als er Sheldon sieht, lässt er sich vor ihm auf die Knie fallen, schaut zu ihm auf und bettelt auf Englisch: «Lassen Sie mich gehen. Bitte! Lassen Sie mich gehen.»
    «Gib mir deine Waffe.»
    «Ich habe keine.»
    «Geht es dem Mädchen gut?»
    «Ja. Bitte lassen Sie mich gehen!»
    «Wo ist sie?»
    «Pssst. Sie ist im Wohnzimmer. Bitte! Lassen Sie mich gehen.»
    «Okay.»
    Sheldon tritt zur Seite.
    Burim rappelt sich wieder auf und wirft einen Blick über die Schulter. Er war
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