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Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon

Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon

Titel: Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon
Autoren: Unbekannter Autor
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JEANNE KALOGRIDIS - Die Seherin von Avignon
    ROMAN
    Aus dem Amerikanischen von Marion Balkenhol

    Für meinen Geliebten
    »»Der ist dann Ketzer, der das Feuer schürt, Nicht sie, die brennt.«
    Das Wintermärchen
    Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe
    treibt die Furcht aus.
    Johannes 4, 18

Prolog -  Sybille
    Hart und ohrenbetäubend prasselt der Regen herab.
    Schnell dahinziehende Wolken verhüllen bedrohlich den Mond, die Sterne und das samtene Schwarz des Nacht-himmels; alles ist in tiefe Dunkelheit gehüllt. Nur wenn Blitze die fernen Berge erleuchten, sehe ich...
    Das Fell meines galoppierenden Pferdes, schwarz wie glänzender Onyx, seine nasse Mähne, die wie die Krone einer Medusa im wütenden Wind peitscht. Die Straße nach Carcassonne vor uns, übersät mit Steinen, wilden Rosensträuchern und Rosmarin, der unter den stampfenden Hufen seinen strengen Duft verbreitet. Rosmarin ruft Erinnerungen wach; keine Rose ist ohne Dornen; Steine sind hart.
    Hart wie der Regen. Im Licht der Blitze wirkt er lang und gezackt, wie Kristall, ein Hagel von Eiszapfen, von kleinen, gefrorenen Blitzstrahlen. Sie bohren und stechen, und obwohl es mir richtig erscheint, dass dieser Augenblick mir körperliche Schmerzen bereitet, habe ich Mitleid mit dem Hengst. Er ist erschöpft von dem langen, anstrengenden Ritt, und als ich ihn schließlich zügele, wehrt er sich und wirft den Kopf hoch.
    Zögernd verfällt er in eine langsame Gangart, tänzelt anmutig seitwärts, und ich streiche ihm mit der flachen Hand über die Schulter, die angespannten Muskeln.
    Mein Ross ist empfindsam wie die meisten Tiere. Doch es verfügt nicht über die Gabe: Es kann jene nicht sehen, die uns verfolgen. Trotzdem kann es das Böse spüren, das in einem Herzen haust. Der Hengst zittert, jedoch nicht von der kalten Herbstluft, und verdreht die großen, dunklen Augen, um fragend zu mir zurückzuschauen. Nun sind wir so lange vor unseren Feinden auf der Flucht, warum warten wir jetzt auf sie?
    Der Schrecken im Weiß, seiner Augen entgeht mir nicht.
    »»Sie werden dir nichts tun«, versichere ich ihm leise. »Du bist ein schönes Pferd. Dich werden sie gut behandeln.« Wenn mich doch nur ein ähnliches Schicksal erwartete! Wie gern würde ich losweinen, hart und bitter wie der Regen; hart, ganz hart. Das Pferd spürt meine Verzweiflung und fällt verstört in Galopp. Ich reiße mich zusammen und streichele seinen Hals. Wortlos übertrage ich meine Ruhe auf ihn - wahre Ruhe, die ich erst tief in mir suchen muss. Tiere kann man nicht belügen. Und meine Verfolger würden behaupten, ich hätte das Tier verhext. Doch ich habe ihm nur mein Herz geöffnet.
    Ich bin fast am Ende meiner Reise angelangt, aber die Göttin hat gesprochen: Sinnlos wäre es weiterzulaufen. Denn wenn ich meine Flucht fortsetzte und der Feind mich weiter jagte, würde mein armer Geliebter nicht gerettet. Unsere einzige Chance bleibt, mich zu stellen. Eine geringe Chance, gefährlich gering, und auch meine Sehergabe hilft nicht, mir die Antwort zu geben: Werde ich leben oder sterben?
    Vor dem nachlassenden Regen vernehme ich ein anderes Geräusch: Donner. Doch am Himmel ist kein Blitz zu sehen.
    Kein Donner. Hufschläge sind es. Nicht von einem, sondern von mehreren Pferden. Wir warten, mein Ross und ich, bis sie näher kommen, immer näher ...
    Da tauchen sie auf aus der Dunkelheit - vier, sieben, zehn verhüllte Männer auf Pferden - jene, die ich in all den dunklen Stunden meiner Flucht vor meinem geistigen Auge gesehen habe. Nun sind sie Wirklichkeit. Im schwachen Licht des zunehmenden Mondes blitzt Metall. Neun der Männer sind Wachen aus Avignon aus dem persönlichen Gefolge des Papstes. Sie kommen näher, ziehen die Schlinge um mich enger, die Schwerter drohend erhoben.
    Das Alpha des zunehmenden Mondes ist Zeuge: Hier endet meine Flucht.
    Ruhig bin ich, beherrscht mein Hengst. Der Anblick verwirrt meine Häscher, und misstrauisch schauen sie sich um. Wo sind meine Beschützer? Liegen sie in der Nähe auf der Lauer, bereit, sich auf sie zu stürzen? Allein kann sie doch nicht sein, die Hexenkönigin.
    Fortgeschickt habe ich sie, wie es der Wille der Göttin war. Nur ich sollte mich ergeben, mich fangen lassen. Zunächst weigerten sie sich, die treuen Gefährten. Die Göttin aber hatte andere Pläne mit ihnen, und als Edouard mir schwor, lieber sterben zu wollen, als mich zu verraten, schloss ich die Augen und öffnete ihnen mein Herz, auf das sie die Göttin
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