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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab
Autoren: Reginald Hill
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war.
    »Nein. Sind Sie Mrs. Fieldings …?«
    Er ließ die Frage in der Luft hängen.
    »Ich arbeite oben im Haus. Mach so ziemlich alles, was zu tun ist und sich nicht von selber tut, während man rumliegt und redet.«
    »Verstehe. Keine schlechte Arbeit, wenn man’s richtig anstellt«, sagte Dalziel und grinste verständnisinnig. »Trinken Sie noch einen. Das war doch die Familie von Mrs. Fielding, oder?«
    Warum er sich jetzt für die Fieldingschen Familienverhältnisse interessierte statt einzig und allein dafür, seinen Wagen aus dem Wasser und wieder flottzukriegen, wusste er selbst nicht. Aber irgendwie musste er sich die Zeit ja vertreiben, und es war ebenso schwer, sich die berufsbedingte Neugier abzugewöhnen wie das Rauchen, das Trinken oder die Gier auf die dritte Portion Fleischpastete mit Kartoffeln.
    »Die meisten schon. Der Alte ist ihr Schwiegervater. Dann sind da die drei Kinder.«
    »Welche waren das?«, unterbrach ihn Dalziel.
    »Die zwei Jungs, der Bertie, das ist der Ältere, der mit der Wampe. Und der Nigel, der Kleine. Und ihre Schwester, die Louisa.«
    »Die Dünne?«
    »Sie haben aber verdammt gute Augen«, sagte der Mann und genehmigte sich noch einen. »Muss an dem Zeug hier liegen.«
    »Und was ist mit den anderen?«
    »Freunde. Gäste«, grunzte der Alte.
    »Wegen der Beerdigung?«
    »I wo. Die waren schon da, als er abgekratzt ist. Nicht, dass Sie glauben, dass es ihnen was ausgemacht hat. Keinem von denen. Nee. Die haben einfach weitergemacht.«
    »Ach ja?«, sagte Dalziel und dachte daran, dass das Trio, das er am vergangenen Abend im »Lady Hamilton« beobachtet hatte, sich durchaus nicht wie gramgebeugte Hinterbliebene gebärdet hatte.
    »Wie kommt’s, dass Sie das Wasser gewählt haben?«, fragte er. »Kamen die Leute von der Bestattung nicht bis zum Haus?«
    »Hätten einen weiten Umweg machen müssen. Das haben sie sich gleich heute Morgen nach dem Regen von letzter Nacht angeschaut. So viel Zeit hatten sie nicht. Bei dem nassen Wetter haben sie einen Haufen zu tun. Also hat es geheißen, entweder die Boote oder warten. Und die wollten den Sarg so schnell wie möglich los sein.«
    »Na ja, ist wahrscheinlich auch ein bisschen ungesund, ihn im Haus rumstehen zu haben«, sagte Dalziel nachsichtig.
    »O ja. Besonders, wenn er auf dem Billardtisch steht.«
    »Woran ist er denn eigentlich gestorben?«, fragte Dalziel, dem das unablässige Plätschern des Wassers langsam auf die Nerven ging.
    »Die einen sagen, sein Herz hat’s nicht mehr gemacht«, meinte der Ruderer. »Und die anderen sagen, die Luft ist ihm weggeblieben.«
    Nur mühsam verkniff Dalziel es sich loszuschnauzen:
Kommen Sie mir ja nicht komisch!
    »Und was sagen
Sie?
«, fragte er stattdessen.
    »Ich? Was weiß ich denn?«
    Er verfiel in ein Schweigen, das eindeutig nicht durch herkömmliche gesellschaftliche Gepflogenheiten zu brechen war.
    Dalziel ging ein Stück am Rand des Wassers entlang und blieb dann stehen, um das Gewehr auf dem Stocherkahn zu inspizieren. Einst eine respekteinflößende Waffe, war es offensichtlich schon lange nicht mehr in Gebrauch. Geglänzt hatte das Metall zwar sicher nie (warum den armen Enten auch nur den Hauch einer Chance geben?), doch jetzt war es verrostet und verdreckt, und eine Spinne hatte hoffnungsvoll ein paar Fäden über die Mündung gesponnen.
    Es fing an zu regnen, und ein paar Augenblicke später kehrte er in den Schutz seines Wagens zurück. Der Rudermann ignorierte seine Einladung, sich zu ihm zu gesellen, und blieb, wo er war. Sogar seiner Zigarette schien der Wolkenbruch nichts anhaben zu können.
    Fast eine halbe Stunde später kam der erste Teilnehmer der Trauergesellschaft zurück. Es war der blonde junge Mann, allein und zu Fuß.
    »Kacke!«, sagte Dalziel und kletterte wieder aus dem Wagen.
    »Hallo«, sagte der Jüngling, als Dalziel näher kam. »Sind Sie im Wasser stecken geblieben?«
    Dalziel gratulierte ihm mit einem Lächeln.
    »Ja«, sagte er. »Wo sind die anderen Autos?«
    »Ich habe Pappy gerade erzählt, dass einen halben Kilometer von hier, hinter der Kurve, das Wasser noch höher steht. Es hat ihnen schon nicht gepasst, dass sie auf dem Weg zur Kirche mit ihren kostbaren Limousinen durchs Wasser mussten, und jetzt ist es noch schlimmer. Also haben sie mich geschickt, damit ich die Boote noch ein bisschen weiter bringe.«
    Doch offensichtlich machte ihm das nichts aus, denn er grinste vergnügt. Dalziel konnte sich denken, wer ihn dazu ausersehen
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