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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab
Autoren: Reginald Hill
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einer gewissen Komik nicht entbehrte. Dennoch mutete ihn Gelächter unter diesen Umständen als Verstoß gegen den guten Ton an.
    Das Ruderboot war jetzt nicht mehr zu sehen, und Dalziel schaute dem Stocherkahn hinterher, bis auch dieser verschwunden war. Dann kehrte er über die Brücke zurück zur Straße und sondierte dort die Tiefe des Wassers. Sie war gerade noch im sicheren Bereich, und er lenkte den Wagen mit äußerster Vorsicht hindurch.
    Jetzt stieg die Straße wieder an und verlief am Rand des etwas höher gelegenen Geländes zu seiner Rechten, das wie eine Sperre für den über die Ufer getretenen Bach wirkte. Von der Spitze dieser kleinen Anhöhe konnte er ziemlich weit sehen. Die Straße senkte sich wieder, und in etwa hundert Meter Entfernung war erneut ein zwischen dreißig und vierzig Meter langer Abschnitt überflutet. Doch danach stieg sie wahrscheinlich stetig über Hochwasserniveau an, denn genau jenseits der überfluteten Senke warteten ein Leichenwagen und zwei andere Autos. Der Ruderer stand im Wasser und schob den Sarg an Land, wo der mit Zylinder behütete Leichenbestatter und seine Helfer bemüht waren, ihn zu ergreifen, ohne sich die Füße nass zu machen.
    Dalziel hielt an und nahm wieder seinen Beobachterposten ein. Schließlich war alles geschafft, auch die Leute aus dem Stocherkahn erreichten wohlbehalten das Ufer und verteilten sich auf die beiden Autos. Die Frau und der alte Mann hatten vermutlich schon längst im ersten Wagen Platz genommen, und so fuhr die traurige Prozession nun langsam davon. Zurück blieb der Ruderer, der im Bug seines Boots saß und sich seine wohlverdiente Zigarette drehte.
    Als der Trauerzug nicht mehr zu sehen war, startete Dalziel wieder seinen Wagen und durchquerte, »One More River To Cross« summend, langsam die vor ihm liegende Senke. Nie zeigte sich das Leben so von seiner heiteren Seite wie beim Anblick einer fremden Beerdigung.
    Auf halbem Wege erkannte er plötzlich, dass die Senke viel tiefer war als erwartet. Im selben Moment hustete der Motor einmal auf und erstarb. Dalziel schaltete die Zündung noch einmal ein, dann machte er sie endgültig aus.
    Er kurbelte das Fenster herunter und wandte sich mit all dem Charme und der Diplomatie, die ihm zu Gebote standen, an den desinteressierten Rudermann.
    »He, Sie!«, schrie er. »Schieben Sie mal an.«
    Der alte Schiffer sah ihn einen Moment gleichgültig an, dann stand er langsam auf und kam näher. Er hatte Gummistiefel an, die ihm bis zu den Knien reichten, und trotzdem schwappte das Wasser gefährlich hoch bis zu den Rändern der Stiefelröhren.
    Als er das offen stehende Fenster erreicht hatte, blieb er stehen und sah Dalziel fragend an.
    »Und?«, sagte er.
    »Stehen Sie da nicht rum«, raunzte Dalziel ihn an. »Schieben Sie.«
    »Ich bin aber nicht zum Schieben gekommen«, erwiderte der Mann, »sondern zum Verhandeln.«
    Er erwies sich als harter Feilscher, gänzlich uninteressiert an einer erfolgsabhängigen Remuneration. Erst als er die Pfundnote, die Dalziel ihm gegeben hatte, zu einem Quadrat mit drei Zentimetern Seitenlänge zusammengefaltet und tief an einen offensichtlich subkutanen Ort gesteckt hatte, begann er zu schieben. Doch es war umsonst. Schließlich kramte Dalziel seine eigenen Tatortstiefel aus dem Verhau im Fond und gesellte sich zu ihm ins Wasser. Langsam schob der Wagen sich vorwärts, doch als er endlich auf dem Weg nach oben war, erwies sich sein Gewicht zusammen mit dem Wasserwiderstand als unüberwindliches Hindernis.
    »Scheiße!«, sagte Dalziel.
    Sie setzten sich gemeinsam aufs Ruderboot und rauchten. Dalziel hatte bereits die eine Zigarette konsumiert, die er sich mittlerweile nach dem Frühstück gestattete, doch er fand, dass dies ein besonderer Anlass sei.
    »Kommen sie bald zurück?«, fragte er zwischen zwei Zügen.
    »Halbe Stunde«, kam die Antwort. »Dauert nicht lange, einen unter die Erde zu bringen.«
    »Gut«, sagte Dalziel. »Ich werde den Leichenbestatter bitten, mich mitzunehmen. Wen begraben sie denn?«
    »Mr. Fielding.«
    »Wer ist das?«
    »Der Mann von Mrs. Fielding«, lautete die wenig hilfreiche Antwort.
    »Mrs. Fielding saß bei Ihnen im Boot?«
    Dalziel langte in seine Tasche, holte die kleine Notfallflasche heraus, die er immer im Wagen mit sich führte, tat einen tiefen Zug und bot sie seinem Gefährten an.
    »Dankschön«, sagte der und trank.
    »Den haben Sie aber nicht daheim im Schuppen gebrannt«, fügte er hinzu, als er fertig
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