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Zum Morden verflucht

Zum Morden verflucht

Titel: Zum Morden verflucht
Autoren: Andrew Hathaway
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ANDREW HATHAWAY
    ZUM MORDEN VERFLUCHT
     
    Deutscher Taschenbuch-Erstdruck
    KELTER TASCHENBUCH Band 3
    Germany 1974
     
     
    »Du wirst dich hier wohl fühlen, glaube mir.« Gewendolin Haskill legte ihren Arm um die Schulter ihrer Schwester, während sie langsam auf das düstere College zugingen. »Es sieht vielleicht nicht sehr einladend aus, aber in diesen alten Mauern ist man geborgen, Jane.«
    »Es sieht wie ein Mausoleum aus«, murmelte Jane Haskill und drängte sich schutzsuchend an die um ein Jahr ältere Schwester. »Wie ein Grab.«
    »Es ist ein College!« sagte Gwendolin energisch und seufzte innerlich auf. So war es immer gewesen zwischen ihnen beiden, seit dem frühen Tod ihrer Eltern. Altersmäßig nur ein Jahr auseinander, klaffte zwischen den Haskill-Schwestern in der Entwicklung der Persönlichkeit eine Kluft, die Gewendolin automatisch in die Mutterrolle gedrängt hatte, die sie auch nicht losgeworden war.
    »Nun komm schon, Kleines! « rief Gewendolin, schroffer als sie beabsichtigte. Das ständige Zögern Janes ging ihr manchmal auf die Nerven, diese heimliche Angst, diese Unsicherheit. »Die steinernen Löwen vor dem Tor beißen dich nicht.« Sie hakte sich bei Jane unter und zog die Widerstrebende mit sich.
    Nur zaghaft setzte Jane Haskill einen Fuß vor den anderen, als ahnte sie die Gefahr, die in den alten, feuchten Mauern auf sie lauerte, als könnte sie mit einem verborgenen Instinkt das Grauen wittern, so wie Hunde das Herannahen von Erdbeben und anderen Katastrophen spüren, lange bevor die feinsten technischen Geräte Vorwarnung geben.
    Gewendolin versetzte der Widerstand ihrer Schwester in Ungeduld und brachte ihr zum Bewußtsein, wie wenig sich Jane in den zwei Jahren ihrer Trennung verändert hatte. Gwendolin war hierher nach Oxford gegangen, um aus der muffigen Umgebung ihrer Heimatstadt, einer spießbürgerlichen Kleinstadt inmitten grüner Hügel, herauszukommen. Mit ihren einundzwanzig Jahren erwartete sie vom Leben mehr als nur grüne Hügel. Vielleicht war das falsch, vielleicht hätte sie sich nicht aus der gewohnten Umgebung herausreißen und ihre Schwester im Stich lassen sollen, aber sie hatte gehofft, nicht nur selbst etwas zu erleben, sondern nach ihrer Rückkehr in die besagte Kleinstadt auch eine verwandelte Jane vorzufinden, gereift durch die Notwendigkeit, auf sich selbst aufzupassen.
    Jane hatte sich verändert — sie war um zwei Jahre älter geworden, das war alles. Kurz entschlossen hatte Gewendolin Janes Koffer gepackt, sie mit nach Oxford genommen und ihr erklärt, hier müsse sie endlich ihre Scheu und ihre Hemmungen ablegen.
    Ein Sprung vom höchsten Turm des Towers von London wäre für Jane gleichermaßen schrecklich gewesen. Nächtelang hatte sie den Teppich in ihrem gemeinsamen Wohnzimmer durchgelaufen, weil sie zum erstenmal ihrem Elternhaus fern war. Nur ein Gedanke hatte Jane schließlich trösten können. Seufzend und mit einem resignierenden Achselzucken hatte Gwendolin auf ein Studienjahr verzichtet und dieselben Vorlesungen wie Jane belegt.
    Und an diesem Morgen sollte die erste Vorlesung stattfinden. »Dr. Emerson ist bei uns Studentinnen jetzt Gesprächsthema Nummer eins«, plauderte Gwendolin drauflos, um die trüben Gedanken ihrer Schwester zu zerstreuen. »Ich selbst habe ihn noch nicht gesehen, aber er soll ein faszinierender Mann sein, wie ich hörte.«
    »Wie schön«, sagte eine frische Männerstimme hinter den beiden Mädchen. Sie drehten sich gleichzeitig erschrocken um, dann lachte Gwendolin laut auf. »Seit wann findest du mich komisch, Gwen?« fragte der junge Mann gespielt beleidigt. »Vorgestern nacht hast du noch anders gesprochen, als . . .«
    »Peter, bitte! «
    Peter Bower zuckte bei dem scharfen Ton ein wenig zusammen, dann ging ein verstehendes Leuchten über sein jungenhaftes Gesicht. »Ist das deine Schwester, Gwen?«
    fragte er und richtete den Blick seiner großen braunen Augen voll auf Jane, die ihn verzückt anstarrte.
    » Das ist Jane«, stellte Gewendolin Haskill vor. » Und das ist Peter Bower. Wir kennen uns schon seit einem Jahr.«
    Jane Haskill hörte überhaupt nichts mehr. Brennende Röte hatte ihr Gesicht überzogen, ihre Knie waren weich wie Gummi. So hatte sie sich nur gefühlt, als sie der Sohn vom Metzger vor einem halben Jahr auf einer Tanzveranstaltung des Kirchenvereins ihrer Kleinstadt geküßt hatte. Leider hatten nicht nur die grünen Hügel rings um die Stadt, sondern auch Mrs. Watkins, die Lehrerin, den
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