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Der Hauptmann von Koepenick

Der Hauptmann von Koepenick

Titel: Der Hauptmann von Koepenick
Autoren: Carl Zuckmayer
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Erster Akt
    Erste Szene
    Personen: Adolf Wormser, sein Sohn Willy, Zuschneider Wabschke, Hauptmann von Schlettow, Wilhelm Voigt
    Bei geschlossenem Vorhang erschallt, von einer marschierenden Militärkapelle gespielt, der Armeemarsch Nr. 9 – mächtig anschwellend, dann allmählich mit dem Taktschritt der abziehenden Truppe verklingend. Ferne Militärmusik begleitet die ganze Szene. Inzwischen hat sich der Vorhang gehoben: die Bühne zeigt das Innere von A. Wormsers Uniformladen in Potsdam. Im Vordergrund der Ladentisch und der Raum für die Bedienung der Kunden. Im Hintergrund die großen gläsernen Schaufenster, durch die man die Straße und gerade noch die Queue der unter Musik vorbeiziehenden Gardekompanie erblickt. Die Schaufenster sind mit einzelnen Uniformstücken, auch Helmen, Mützen, Säbeln, Lackreitstiefeln dekoriert. Komplette Offiziersuniformen stehen auf Holzpuppen ohne Kopf. In der Mitte hinten eine Doppelglastür mit Klingel. Die Glasscheiben tragen in verkehrt zu sehenden Goldbuchstaben die Aufschrift der Firma: »A. Wormser, Kgl. Preuss. Hoflieferant«. Auf dem Ladentisch Stoffballen, Uniformknöpfe, Epauletten, Handschuhe, Feldbinden und dergleichen. An der Wand ein Bildnis der kaiserlichen Familie und die Photos höherer Offiziere mit Unterschrift. Auch ein gerahmtes Ehrendiplom und eine Aufnahme des Herrn Wormser in studentischer Couleur. Eine Seitentür führt zu Wormsers Privatkontor.
    Zuschneider Wabschke – klein, bucklig – steht auf einem Schemel und hilft dem Hauptmannn von Schlettow in seinen neuen Uniformrock.
    V. SCHLETTOW
Nee, nee, Wabschke, mit der Uniform da stimmt was nicht. Da is was nich in Ordnung. Das hab ich im Gefühl.
    WABSCHKE
Herr Hauptmann – mit det Jefühl, det is so ne Sache. Wenn ick mal in en Paar neie Buxen steige – selbst zujeschnitten, akkurat jenau uff jeden Hosenknopp – da hab ick ooch immer son komisches Jefiehl. Un denn komm ick hinter: det is gar keen Jefühl – det is nur de Neuheit.
    V. SCHLETTOW
Nee, nee, Wabschke, machense mir nichts vor. Sehnsemal, ich kann mir als Hauptmann nich jeden Tach ne neue Uniform leisten. Gardeleben kost ja sowieso ’n tollen Stiefel. Aber – wenn ich mir eine leiste, denn muß nu alles tadellos in Ordnung sein, darin bin ich komisch, was? Er lacht.
    WABSCHKE
zieht ihm die Rockschöße herunter Det sitzt nu alles wie de eigne Haut.
    V. SCHLETTOW
Sagen Sie! – Besieht sich von allen Seiten im Spiegel  – Na ja, von vorne is ja nischt zu wollen. Aber hinten! Hinten! Sehnse sich mal die Gesäßknöppe an! Die sitzen bestimmt nich vorschriftsmäßig!
    WABSCHKE
Aber, Herr Hauptmann: ick sage Ihnen, wie anjewachsen! Man kennte meinen, Sie wären mit Jesäßkneppen uff de Welt jekommen!
    V. SCHLETTOW
Sechsenhalb Zentimeter Abstand! Sechsenhalb Zentimeter is Vorschrift! Das da sin mindestens achte, widersprechense nicht, das hab ich im Gefühl!
    WABSCHKE
Na, Herr Hauptmann, so jenau wird’s Ihnen keener nachmessen.
    V. SCHLETTOW
Das hab ich im Gefühl, da is nischt dran zu klimpern. Die Gesäßknöppe werden geändert, Wabschke.
    WABSCHKE
Da mißten wa nu de janze Schoßfalte ufftrennen, un denn stimmt det wieder in de Tallje nich.
    V. SCHLETTOW
Sehnse, Wabschke, bei Ihnen merkt man auf Schritt und Tritt, daß Se nich gedient haben. Wennse beim Kommiß so viel widersprechen, denn kommense ausm Kasten gar nich raus.
    WABSCHKE
Deshalb hab ick mir ooch lieber ’n Puckel jezüchtet. Finger lang und Luftklappe jeschlossen – det wär keen Sport vor meines Vaters Kleensten.
    V. SCHLETTOW
Das fehlt Ihnen, Wabschke, das fehlt Ihnen! Als Schneider sinse vielleicht tipptopp, aber als Mensch, da fehlt Ihnen der Schliff, der Schnick, der Benimm, die ganze bessere Haltung!
    WABSCHKE
Na, Herr Hauptmann, ick kann ja ooch de Knochen zusammenreißen un det Kinn uff de Krawatte dricken! Er markiert stramme Haltung.
    V. SCHLETTOW
halb lachend, halb empört Hörnse auf, Wabschke, hörnse auf, das kann ich gar nich sehn!!
    WORMSER
kommt rasch herein. – Er ist rundlich, rosig, graublond, mit nur geringen jüdischen Rassemerkmalen Was is denn nu wieder los. – Wabschke, lassense die Possen! Guten Tach, Herr von Schlettow, ärgernse sich nicht über den Pojazz, er is nich normal, aber ’n besseren Zuschneider findense in ganz Deutschland nich. Wabschke, haltense ’n Rand, ich sage Ihnen immer wieder, bei der nächsten Schnoddrigkeit fliegense raus. Famos sehnse aus, Herr Hauptmann! Schüttelt ihm die Hände Das macht der
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