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Die Teilung des Paradieses

Die Teilung des Paradieses

Titel: Die Teilung des Paradieses
Autoren: Michael Heidenreich
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beiden Zäunen. Blacky würdigte es keines Blickes. Er hatte seine Augen drohend auf das Mädchen gerichtet und bellte und bellte.
    Sie warf den Rest des Leberwurstbrotes hinüber, aber auch das fand keine Beachtung.
    Wieder kehrte sie traurig heim.
    So ging das einige Tage. Sie besuchte Blacky jeden Tag. Ihre Großeltern durften das nicht wissen. Sie sprach mit ihm und warf ihm Wurstbrote hinüber. Er bellte und nahm sich nichts von dem Futter. Manche Brote lagen schon längst verdorben da, andere hatten sich die Waldvögel geholt.
    Es war nicht mehr viel Zeit, bis sie die Großeltern wieder verlassen musste. Die Schule fing bald an und sie freute sich auch wieder auf die Stadt. Nur Blacky tat ihr leid. Er bewachte stur den blöden Zaun und bellte und drohte nur. Er wollte und wollte sich nicht an sie gewöhnen.
    Zwei Tage vor der Abreise regnete es und die Großmutter wunderte sich, dass sie trotzdem draußen spielen wollte. Aber sie ließ das Mädchen gehen. Sollte sie doch die letzten Tage in der Natur noch genießen.
    Wieder hatte sie ein Wurstbrot dabei. Die Tannen im Hochwald tropften und es war noch dunkler als sonst. Mittlerweile kannte sie den Weg gut. Jede Biegung und jeden Stein. Und sie kannte auch die Stelle, an der sie sonst Blacky schon immer heranstürmen hörte.
    Heute blieb alles ruhig.
    ‚Merkwürdig.’ Dachte sie.
    ‚Ob er mich nicht gehört hat?’
    Sie lief weiter und blieb plötzlich vor Überraschung stehen. Fast fiel ihr das Wurstbrot aus der Hand.
    Da stand er. Blacky. Ganz ruhig am Anfang des Zaunes und schaute in ihre Richtung. Es sah aus als wartete er schon auf sie. Er bellte nicht. Er stand nur mit tropfendem Fell unbeweglich da und schaute sie an.
    Das Mädchen lächelte und sagte:
    „Na Blacky? Hast du schon auf mich gewartet?“
    Und da geschah es.
    Der Hund wedelte mit dem Schwanz. Erst ganz vorsichtig und zurückhaltend.
    Aber als sie lachte und rief:
    „So ein braver Junge!“
    Da fing er so stark zu wedeln an, dass sich das ganze Hinterteil bewegte.
    Sie redete mit ihm und ging weiter am Zaun entlang. Er folgte ihr ohne zu bellen und wedelte ab und zu mit dem Schwanz. Die Rolle auf dem Seil sirrte leise.
    Sie brach ein Stück Brot ab und warf es hinüber. Er blieb stehen, ging dann zögernd näher an das Brotstück heran, schnüffelte argwöhnisch und dann nahm er es hastig zwischen die Zähne und schlang es gierig hinunter.
    Sie warf den Rest des Brotes hinüber und auch dieses wurde schnell gefressen.
    Sie war glücklich. Endlich.
    Als sie etwas weiter an einer geraden Wegstrecke angekommen waren, blieb sie stehen. Von hier aus konnte sie nach links und rechts den Weg weit genug überblicken. Es war niemand zu sehen. Ihr Herz klopfte laut. Sie verließ den Weg und ging langsam auf den Zaun zu. Sie wusste, dass das streng verboten  und gefährlich war. Das Schild mit der Aufschrift „Halt! Hier Grenze!“ war schon hinter ihr. Das nasse Gras reichte ihr bis zu den Knien. Jetzt stand sie schon in dem anderen, dem fremden, dem verbotenen Land. Bis zum Zaun war es noch ein guter Meter. Blacky schaute ihr ruhig zu. Dann war sie direkt vor ihm. Sie streckte langsam die rechte Hand aus. Der Hund knurrte leise. Aber es klang nicht böse. Sie redete mit sanfter Stimme auf ihn ein:
    „Na, na...wer wird denn...Bist so ein lieber, so ein guter Blacky...Bist ein feiner Hund. Brav, Brav...“
    Er stand da und ließ ihre Hand nicht aus den Augen. Aber er wich nicht zurück.
    Noch ein paar Zentimeter waren seine Schnauze und ihre Hand voneinander entfernt. Sie steckte die Hand durch die Zaunmaschen und berührte seinen Kopf. Er hielt ganz still. Das leise Knurren war mehr zu fühlen, als zu hören. Seine aufgerichteten Ohren zitterten. Sie strich leicht darüber. Er hatte weiches Fell an den Ohren, sie waren ganz kalt von der Nässe. Zwischen den Augen war das Fell struppiger und hart. Sie strich ihm über den Kopf, über die Nase, dann über den Nacken. Sie kniete jetzt im nassen Gras vor dem Zaun und hatte beide Hände durch das Gitter gesteckt. Blacky ließ sich jetzt am Rücken streicheln und hatte aufgehört zu knurren.
    Das Mädchen war glücklich und krallte ihre Finger in das schwarze, nasse Fell. Sie spürte seinen Herzschlag. Und sie spürte auch ihr Herz laut schlagen.
    Nach einigen Minuten stand sie auf, sah sich kurz um und ging wieder auf den Weg zurück.
    Sie lief den Weg, den sie gekommen war wieder zurück und Blacky begleitete sie bis zum Ende des Zaunes. Als sie
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