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Die Teilung des Paradieses

Die Teilung des Paradieses

Titel: Die Teilung des Paradieses
Autoren: Michael Heidenreich
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Folgen falscher Sortenwahl oder an Wassermangel von selbst eingehende Bäume? Wen will man dann dafür verantwortlich machen?  Notfalls wird wieder gerodet und nachgepflanzt. Oder das Problem hat sich von selbst erledigt.
    Einen Moment überlegte er, ob er noch schnell einen Abstecher in die Schafdorfer Strasse machen sollte, aber sehr schnell war ihm klar, dass das nur eine Ausrede gewesen wäre. Für eine kleine Lüge an sich selbst. Dass es nur dem Zweck diente, seine Ankunft noch etwas zu verzögern. Das unausweichlichen Treffen noch ein klein wenig hinauszuzögern.
    Und er war ohnehin schon spät dran. Beim Blick auf die Uhr trat er instinktiv fester aufs Gas, aber schon sah er die dunkelgrüne Baumwand und die rote Ziegelmauer.
    Der kleine Parkplatz war restlos besetzt und so parkte er seinen Wagen am Straßenrand in einer Parkverbotszone, wobei das Heck bedenklich weit auf die Fahrbahn ragte. Ihm war es egal. Er war immer gegen jede Form von Konventionen und Einschränkungen gewesen.
    Als er ausstieg, drückte die morgendliche Wärme mit aller Kraft. Laut Autothermometer waren es schon achtundzwanzig Grad. Er zog trotzdem das schwarze Jackett über und prüfte im Glas des Wagens den Sitz der Krawatte. Er hatte keine schwarze, wie man das hier ganz sicher erwarten würde. Von den vier Krawatten, die er besaß, hatte er einfach die unauffälligste gewählt. Kurz vor der Abfahrt hatte er noch überlegt, ob er nicht in Jeans und Baseball - Shirt fahren sollte, aber er wollte keinen Aufruhr verursachen und die Zeit der Provokationen war vorbei. Es bedeutete ihm nichts mehr. So entschied er sich für den angepassten, üblichen Anzug. 
    Als er sich umsah, war er, trotz der Vorstellung die er noch immer von diesem Ort hatte, trotz der vergangenen Zeit seit seinem letzten Besuch, überwältigt.
    Es hatte sich praktisch nichts verändert seit damals. Die alten Linden verströmten noch immer den süßen Duft aus der Kindheit. Das Rauschen der hellgrünen Kronen hatte immer noch denselben Klang. Die rote Ziegelmauer sah noch so windschief und gleichzeitig unzerstörbar aus wie vor vielen Jahren. Das schmiedeeiserne Tor, war weit geöffnet und zog ihn förmlich herein.
    Er mochte diesen Ort, wofür er, wenn er es aus irgendeinem Grund mal jemandem gegenüber erwähnt hatte, bestenfalls Kopfschütteln geerntet hatte.
    Was war mit dem Kerl nicht in Ordnung der gern hier war und diesen Ort mochte?
    Ja er mochte ihn nicht nur, sondern er war ihm eine Zeitlang, damals, der Platz, an dem er innere Ruhe und Ausgeglichenheit finden konnte. Selbst schon zu einer Zeit, als er diese Begriffe nicht einmal kannte. Er spürte nur, dass er hier sein konnte, sein musste, um all die kleinen Ängste und Probleme, die kleine Jungen so haben, vergessen und die Welt ein Stück loslassen zu können. Er wusste damals nicht, warum das so war, es zog ihn einfach magisch hierher.
    Er schaute in das verschwenderische Grün über sich und  musste lächeln. Ist das nicht der größte Kontrast, den man sich denken kann? Diese Pracht der Natur, diese überschäumende Fülle, dieser Reichtum an Farbe und Licht, diese unermessliche Vielfalt der Natur, die Lebendigkeit und Vitalität und gleichzeitig die Trostlosigkeit und die absurde Leere der Zeremonie der er gleich beiwohnen musste. Wollte.
    Anders als viele seiner Mitmenschen hatte er zu Beerdigungen noch ein unbekümmertes und unbefangenes Verhältnis. Etwa so, wie es noch auf viele Naturvölker in Afrika oder Südamerika zutreffen könnte. Der Tote ist nur auf dem Weg in eine andere Welt. Eine Welt, die unvorstellbar schön sein musste. Stellte er sich immer vor. Und diese Vorstellung war bei ihm nicht religiös begründet. Im Gegenteil, er konnte sich noch gut an seine Verblüffung erinnern, als er diese Bilder, die er in seinem Kopf herumtrug, gut und treffend in einem Buch über Totenkulte und Bestattungszeremonien von Indianern im Pantanal des brasilianischen Regenwaldes  beschrieben wiederfand. Es war verrückt, aber er las das Buch und hatte das Gefühl, jemand musste seine Gedanken aus ihm herausgesogen und als Buch niedergeschrieben haben. Denn da standen sie Wort für Wort.
    Er trat auf den sonnendurchfluteten Platz gleich hinter dem schmiedeeisernen Tor und ihm fiel ein, dass es in Filmen bei Beerdigungen meistens regnet.   
    Er hatte keine Ahnung warum, vermutete aber, dass es für den Regisseur dadurch leichter wird, die angemessen traurige Stimmung herzustellen. Möglichst noch
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