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Die Teilung des Paradieses

Die Teilung des Paradieses

Titel: Die Teilung des Paradieses
Autoren: Michael Heidenreich
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sich noch einmal umdrehte, stand er schwanzwedelnd da und sah ihr nach.
    Vor ihrer Abreise ging sie ihren Blacky noch zweimal besuchen. Er wartete jedes Mal schon auf sie und begrüßte sie schwanzwedelnd, aber stumm. Sie schlich sich an den Zaun und streichelte ihn. Und sie gab ihm ihr Wurstbrot, dass sie ihm mit der Hand hinhielt. Er nahm es Stück für Stück langsam und sehr behutsam mit seinen Zähnen.
     
    Einige Monate vergingen, der Herbst war da und große Ereignisse erschütterten das Land. Das Land das so lange geteilt war wurde plötzlich, fast über Nacht, wieder ein Land. Die Grenze fing an sich aufzulösen. Kein Zaun wurde mehr gebraucht und niemand mehr daran gehindert, Waldwege zu verlassen.
    Als sie, ein paar Wochen nach den Geschehnissen, ihre Großeltern besuchte, sie hatte jeden Tag an Blacky gedacht, konnte sie es kaum erwarten in den Wald zu gehen. Diesmal kam ihr Großvater wieder mit.
    Der Weg hatte sich kaum verändert. Der Zaun war noch da, aber die Schilder waren verschwunden.
    Als sie den Hochwald hinter sich gelassen hatten, begann ihr Herz laut zu schlagen. Sie hatte wieder ein Leberwurstbrot dabei.
    Hinter dem Zaun war nichts. Kein Blacky stand da und wartete auf sie. Das Stahlseil, an dem die Rolle sonst immer hin und her surrte, lag von Blättern fast zugedeckt auf dem Waldboden. Der Zaun war an den meisten Stellen abgebaut. Nur die Pfosten standen noch.
    Der Großvater sagte:
    „Na Gott sei Dank hat dieser Alptraum ein Ende. Und die armen Hunde werden nicht mehr gequält.“
    Sie hatte Tränen in den Augen.
    ‚Machs gut, Blacky. Vergiss mich nicht. Wo immer du bist, ich hoffe du hast es besser.’
     
    Jahre später hatte sie gelesen, dass die Hunde aus den Laufanlagen nur zum Teil in gute Hände weitervermittelt wurden. Viele waren so gestört, dass sie eingeschläfert werden mussten.        
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Der Tod des Diktators
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Es war ein ungewöhnlich heißer Sommer in diesem Jahr. Seit Wochen kein Regen und die Sonne brannte von morgens bis abends ohne Erbarmen. Und keine Abkühlung in Sicht.
    Ihm machte es nichts aus. Er war ein Sommermensch. Er begann zu frösteln, wenn das Thermometer mal unter siebzehn Grad fiel und in den Wintermonaten bekam er fast depressive Anfälle. Nur der Gedanke an Sommer, Hitze und Sonne ließ ihn den Winter überleben. Und über das allgemeine Stöhnen und Jammern konnte er nur lächeln. Aber heute war es schon morgens halb neun wirklich sehr warm.
    Er war seit drei Stunden unterwegs und die Klimaanlage seines Wagens lieferte beständige dreiundzwanzig Grad.
    Je näher er seiner alten Heimatstadt kam, umso mehr beschleunigte sich sein Puls. Und das hatte nichts mit den Temperaturen zu tun. Er war lange nicht hier gewesen und hatte doch fast jeden Tag an seine alte Heimat gedacht. Anfangs hatte er viele Jahre lang Heimweh gehabt und sich in Träumen versponnen. Hatte sich durch die alten Strassen geträumt, den Stadtpark, die Wohnungen in denen sie lebten, damals, als sie noch eine Familie waren.
    Lief in Gedanken die alten Wege. Lief zu seiner Oma, die immer für ihn und seinen Bruder da war. Lief zum Stadtwald mit dem angrenzenden Tierpark, in dem sie Nachmittage zubrachten um Wasserräder zu bauen und Eichhörnchen zu beobachteten. Lief zu der Deponie am Stadtrand, wo man die herrlichsten Dinge finden konnte, die kleine Jungenaugen leuchten ließen und die noch gut zu gebrauchen waren, die manchmal kaum in die Taschen der kurzen Lederhosen passten und die dann zu Hause gnadenlos wieder entsorgt werden mussten.
    Und in seinen Gedanken war es auch immer Sommer. Nur kurze Winterepisoden mischten sich ab und an in die Traumwelt. Von eingefrorenen Skibindungen, vom kleinen Rodelhügel, den er, der Junge aus der Stadt, mutig bezwungen hatte, mit klopfendem Herzen und dann unendlich stolz. Er dachte an die Schneemänner, aufgetürmt in stundenlanger Arbeit, bis sie größer als sie selbst waren. Sie, die beiden unzertrennlichen Brüder. Die alles gemeinsam machten. Alles. Gemeinsam Pläne schmiedeten, gemeinsam über Gartenzäune stiegen und Erdbeeren klauten, gemeinsam den Kirschbaum eroberten, gemeinsam Fußball spielten. WM 74, jeder war eine andere deutsche Mannschaft und wenn sie sich nicht einigen konnten, wer mit welchen Spielern auflief, wurden
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