Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Karte der Welt (German Edition)

Die Karte der Welt (German Edition)

Titel: Die Karte der Welt (German Edition)
Autoren: Royce Buckingham
Vom Netzwerk:
Prolog
    Niedrig hängende Wolken verhüllten die Berge und die dazwischen liegenden Täler. Hänge, Kämme und Gipfel waren nur als vage Umrisse im Dunst zu erkennen. Aus der Ferne betrachtet, wirkte die weite Landschaft beinahe wie eine Kohlezeichnung.
    Der Reiter mit der Adlernase hatte für diese schroffe Schönheit keinen Blick. Er blutete aus fünf parallel verlaufenden Schnitten an der Schulter und keuchte ebenso heftig wie sein galoppierendes Pferd. Er ignorierte die hässliche Wunde und trieb sein Reittier erbarmungslos weiter, immer tiefer in den Wald. Er musste den Stammesfürsten finden. Da sah er ein metallisches Aufblitzen. Er riss an den Zügeln und brach durch das Dickicht zu seiner Rechten; die langen Dornen des Gestrüpps kümmerten ihn nicht.
    An einer Felskante direkt voraus standen vier Bewaffnete. Sie hatten ihn bereits sehnsüchtig erwartetet und schwangen euphorisch die Speere in der Luft.
    Das rostige, blutverschmierte Schwert des Reiters klatschte der vollkommen erschöpften Stute in stakkatoartigem Rhythmus gegen die Flanke, bis sie schließlich trippelnd zum Stehen kam.
    An der Abrisskante vor ihm stand ein breitschultriger Mann. Von seiner Position aus hatte er die ganze Weite der Gebirgskette im Blick, die der Reiter soeben durchquert hatte. Obwohl der Fürst das gleiche derbe weiße Wolfsfell wie der geringste seiner Männer trug, strahlte er eine über jeden Zweifel erhabene Befehlsgewalt aus. Mit kraftvollem Griff packte er die zottige Mähne der Stute und gebot ihr stillzuhalten.
    »Sag, dass es getan ist, Garman.« Seine Stimme klang ernst und hoffnungsvoll zugleich.
    »Ja. Wir haben sie bis hinter die Berge zurückgedrängt, Herr.«
    »Und der Drache?«
    »Geflohen.«
    »Wie viele Tote?«
    »Weit über die Hälfte der Männer. Shagan und Frehman sind auch darunter.«
    Der Stammesfürst fuhr zusammen. »Noch keine Namen. Wir werden trauern, wenn Zeit dazu ist. Wurden alle Unerwünschten vertrieben?«
    »So gut wie.«
    Fürst Krystal legte die Stirn in Falten. »Das wird genügen müssen.« Er wandte sich dem Mann zu, der direkt an der Felskante stand. Es war Petrich, der Sohn seines Onkels. Petrichs Umhang war ebenfalls aus Tierhaut, aber dünner als die Wolfsfelle der anderen und nicht dazu gedacht, ihn im Kampf zu schützen. »Der Großteil der Unerwünschten ist fort, der Drache nach Norden geflohen. Es ist Zeit«, sagte Krystal und atmete einmal tief durch. »Wirke deine Teufelei, Cousin. Und mögen die wahren Götter uns vergeben, dass wir deine Dienste in Anspruch nehmen.«
    Krystals Männer betrachteten Petrich mit Argwohn, ja sogar Furcht, aber sie hielten sich zurück. Krystal war der Einzige, der stark genug war – und rücksichtslos genug –, um die Säuberungen durchzuführen, und nur mit Hilfe der Säuberungen konnten die Lande von Abrogan sicher gemacht werden für die Frauen und Kinder der Rechtschaffenen. In der Tat hatte Krystal beinahe vollendet, was sein Vater begonnen hatte. Mit zehn Schiffen voll Soldaten war er damals an den Küsten von Abrogan gelandet, um Schrecknisse und Vagabunden von dem verheißenen Land mit seinen reichen Böden und glitzernden Flüssen zu vertreiben und ein zivilisiertes Königreich aus der unbezähmten Wildnis zu machen. Und sobald Krystal es vollendete, das heißt, falls er es jemals vollendete, wäre all das sein.
    Petrich trat an den Rand der Klippe und breitete die Arme aus. »Das Fell«, verlangte er.
    Krystal zog eine aufgerollte Tierhaut hervor, und ein nervöser Soldat half ihm, sie auszubreiten. Sie maß über zwei Meter in der Breite und war beinahe genauso lang. Ein einziges großes Stück gegerbten Fells.
    »Jetzt bringt mir den Jungen.«
    Zwei andere Soldaten schoben einen Jungen vor sich her, der noch keine zehn Jahre alt war.
    Krystal musterte seine runden, olivgrünen Augen. »Von den Bauern im Norden?«, fragte er.
    »Sie gaben ihn freiwillig«, versicherte einer der beiden. »Die Familie hat noch andere Söhne.«
    Die Fesseln an Knöcheln und Handgelenken ließen erkennen, dass der Junge selbst dies anders sah. Sein Kopf war vor Erschöpfung schlaff auf die Brust gesunken; er war zu schwach, um sich noch zu wehren.
    Krystals Cousin legte ein Messer an seinen Hals. Mit einer schnellen Bewegung aus dem Handgelenk öffnete er eine dünne rote Linie quer über die Kehle des Jungen.
    Einer der Männer fing den herausquellenden Lebenssaft in einer Schale auf.
    »Muss er denn sterben?«, fragte Krystal, während der Junge
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher