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Die Teilung des Paradieses

Die Teilung des Paradieses

Titel: Die Teilung des Paradieses
Autoren: Michael Heidenreich
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zukommen sah, richtete er sich auf und knurrte drohend. Tim ging noch näher. Der Hund ließ ihn nicht aus den Augen und knurrte weiter. Kurz vor ihm blieb Tim stehen und der Hund fing sofort laut zu bellen an. Es klang bedrohlich wie immer. Die Kette war straff gespannt und zog am Hals des Tieres.
    „Pass auf!“ Rief Tim ihr zu. Er machte einen Bogen, bis zu der Stelle, wo die Kette an einem großen Ring an der Wand befestigt war. Er klickte den Karabinerhaken auf und die Kette klirrte zu Boden.
    Sie war starr vor Schreck. Der drohende, gefährliche Hund war jetzt frei. Sie hatte unglaubliche Angst und konnte doch keinen Schritt tun um zu fliehen. Sie war sicher, gleich würde sich der Hund auf sie stürzen und sie zerfleischen.
    Doch es geschah etwas anderes. Etwas sehr merkwürdiges. Etwas, womit sie nicht gerechnet hatte.
    Der Hund spürte plötzlich nicht mehr die würgende Kette am Hals, drehte sich ungläubig mehrere Male um sich selbst und war ganz still. Keine Bellen, kein Knurren. Er hatte den Schwanz eingeklemmt und sah hilflos die beiden Kinder an. Und sie sahen ihn an. Nach einer Weile beugte sie sich vor, streckte die Hand aus und sagte sanft:
    „Du bist ja ein Feiner. So ein feiner Hund..“
    Der Hund spitzte die Ohren, er fing zu hecheln an, es sah aus wie lächeln und kam plötzlich auf sie zu. Ganz langsam und fast scheu näherte er sich ihr. Die Kette klirrte hinterher.
    Als er sie fast erreicht hatte, blieb er stehen und begann mit dem Schwanz zu wedeln.
    Das hatte er bisher nie getan. Sie ging vorsichtig einen Schritt näher und langsam, ganz langsam streichelte sie seinen Kopf, seine Ohren, seinen Hals. Er stand schwanzwedelnd da und kniff die Augen zu.
    Sie lächelte zu Tim hinüber und er lächelte zurück. Der böse Hofhund war gar nicht böse. Nur unsicher ohne die schützende Kette.
    Dieses Erlebnis fiel ihr wieder ein, als sie den armen Hund hier hinter dem Zaun sah. Zu gern wollte sie wissen, ob auch in diesem Hund hier ein lieber Kerl steckte. Aber es gab den Zaun und es gab den Großvater.
    Ein paar Wochen später sollte sich die Gelegenheit ergeben. Der Großvater war für ein paar Tage in die Stadt gefahren, er hatte noch einige Besorgungen zu erledigen.
    Mit unschuldiger Mine rief sie der Großmutter zu, dass sie ein paar Blumen pflücken gehen möchte. Und schon war sie auf dem Weg Richtung Wald.
    Allein, ohne den Großvater, war der Wald viel größer und dunkler. Es war ganz still. Auch kein Vogel war zu hören. Tapfer ging sie durch den Hochwald und erreichte bald den Zaun. Nach einigen Minuten hörte sie ein scharfes, schleifendes Geräusch. Es kam rasch näher und dann sah sie ihn. Der große, schwarze Hund. An seiner Rolle die ihn fauchend verfolgte. Er stürmte wie ein Blitz heran.
    Sofort fing er laut zu bellen an. Sie sah sich um, konnte aber keinen Menschen weiter entdecken. Auch nicht die Grenzbeamten. Sie waren beide ganz allein. Sie auf der einen Seite des Zaunes und der Hund auf der anderen Seite.
    Sie rief zaghaft:
    „Du bist ja ein Feiner...So ein braver Hund bist du.“
    So wie sie es bei dem Hofhund damals tat.
    Der Hund bellte unaufhörlich weiter. Er reagierte gar nicht.
    Sie redete weiter auf ihn ein. Ruhig und mit warmer Stimme.
    Der Hund stand mit fest in den Boden gestemmten Läufen da und bellte sie an. Und zwischen den Pausen knurrte er drohend.
    Sie gab nicht auf. Redete jetzt lauter.
    „So ein Braver...Ich tu dir doch nichts...Lieber Junge.“
    Nichts. Der Hund reagierte nicht. Zog die Lefzen hoch und bellte heiser.
    Nach einer Weile gab sie auf. Drehte sich um und ging resigniert den Weg zurück den sie gekommen war.
    Der Hund folgte ihr bellend bis zum Ende des Doppelzaunes. Sie hörte ihn noch als sie schon im Hochwald war.
    ‚Es musste doch einen Weg geben, diesen armen Hund zu beruhigen.’ Dachte sie verzweifelt.
    Dann fiel ihr etwas ein.
    ‚Vielleicht hat er Hunger. Das wird es sein. Ich werde ihm was zu fressen bringen.’
    Am nächsten Morgen machte sie heimlich ein Leberwurstbrot mehr zum Frühstück und wickelte es in ein Stück Zeitungspapier. Dann hüpfte sie aus dem Haus schnurstracks auf den Wald zu. Sie konnte es kaum erwarten.
    Wieder kam Blacky, so hatte sie ihn inzwischen getauft, an dem surrenden Seil herangerast und bellte.
    Sie redete wieder langsam und geduldig mit ihm, er bellte und knurrte. Sie wickelte die Leberwurststulle aus, riss ein Stück ab, sah sich kurz um und warf es über den Zaun. Es landete genau zwischen den
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