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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht
Autoren: K Wahlberg
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Kapitel 1
    D as Licht war der große Feind. Kaum war es dunkel geworden, begann bereits die Morgendämmerung. Im Osten, wo der Himmel die dunklen Tannenspitzen berührte, konnte man die Veränderung erahnen. Wenn der neue Tag da war, war alles zu spät.
    Wie ein Eisenband spannte sich der Hass um den Leib, verstärkte ihn und ließ die Muskeln arbeiten. Einen Körper zu schleppen war schwer.
    Die Angst machte sich bemerkbar, es musste gehen. Schließlich gab es solche Fanatiker, die den Tag damit begannen, am frühen Morgen joggen zu gehen oder am See entlangzuwandern. Die könnten etwas sehen und melden, und dann wäre alles ruiniert.
    Bei dem bloßen Gedanken daran wurde der Mund staubtrocken, die Hände wurden vor Stress unruhig, die Füße ungelenk. Ein toter Körper war erstaunlich schwer zu hantieren, willenlos und widerstandlos machte er, was er wollte, und ließ sich nicht zwischen die Bretter drücken. Als wäre die Leiche lebendig und wollte auf lächerliche Weise am Ende noch störrisch sein.
    Verdammt!
    Die Schwierigkeit bestand darin, sie weit genug hineinzupressen. Nichts durfte zu sehen sein, der Kopf nicht und nichts vom restlichen Körper. Die Jacke, die das Loch im Bauch verdeckte, glitt zur Seite, und Gedärm und Blut quollen heraus, widerlich und eklig. Auch wenn das schummrige Licht einiges verbarg, spürten die Hände doch, was es war; es war weich und feucht und immer noch warm. Außerdem roch es nach Scheiße. Der Gestank löste einen Brechreiz aus, es war die Hölle, konnte aber mit ein paar langsamen Atemzügen unterdrückt werden. Ein Glück, denn man durfte natürlich keine Spuren hinterlassen. Die Experten konnten jede DNA aus einem kleinen Spuckefleck extrahieren, das sagten die jedenfalls im Fernsehen. Da wäre ein Haufen Erbrochenes leichte Arbeit.
    Am schlimmsten war das Gesicht, denn es erinnerte daran, dass dies ein Mensch war. Am besten nicht hinsehen. Zu spät für Reue. Getan ist getan, und die Leiche musste weg. Morgen würde niemand etwas merken. Alles würde in Rauch aufgehen.
    Mitten in dem Gerümpel steckte ein Karton. Nachdem die Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, war er gut zu erkennen. Der Karton konnte erstaunlich leicht herausgezogen werden, ohne dass der Rest in sich zusammenfiel. Er war aus harter Pappe und noch heil, und er enthielt nur eine Menge Holzscheite, die man rasch ausleeren und in den Scheiterhaufen schieben konnte.
    Manchmal hatte man einfach Glück!
    Die Leiche passte fast in den Karton hinein. Die Füße ragten heraus, aber die konnte man auch noch unterbringen, indem man die Knie anwinkelte. Dann hieß es nur noch, den Karton an seinen alten Platz zu bugsieren.
    In diesem Moment kroch das Licht über den See und beschien die Tische, die unten am Wasser standen. Auf denen aßen andere später ihr Picknick – der Gedanke war ekelerregend, aber scheißegal; einer der Tische war genau richtig, denn er war groß genug, um darauf stehen zu können.
    Der schwere Karton glitt an seinen Platz, keineswegs im Handumdrehen, aber es ging. Und der Tisch war schnell wieder zurückgetragen.
    Auf der Rückfahrt lag die ganze Gegend noch im Schlaf. Der Motor schnurrte.
    Es war geschafft.

Kapitel 2
    Hilda, Dienstag, den 1. Februar 2011
    H ilda Glas sah Sterne. Obwohl es mitten am Tag war, hatte es plötzlich direkt vor ihr eine Explosion von blitzenden, sprühenden, winzig kleinen flimmernden Lichtpünktchen gegeben. So hell, wie es um diese Jahreszeit überhaupt möglich war.
    Februar. Der Jahreslauf hatte sich gewendet. Ein zarter Sonnenstrahl wagte sich vor dem Fenster im vierten Stock der Chirurgischen Klinik in Oskarshamn vorsichtig heraus. Sie hatte ein paar Minuten lang geträumt und einfach nur hinausgeschaut, ehe sie sich, nichts Böses ahnend, am Schreibtisch neben dem Empfangstresen niederließ.
    Kurz darauf sprühte das Feuerwerk vor ihren Augen los. Ohne Vorwarnung.
    Aber nicht ohne Grund.
    Sie war durch die Halle mit den Fahrstühlen geschritten und hatte die Treppe zu der sogenannten administrativen Station genommen. Dort gab es Aufenthaltsräume, Konferenzräume, Empfangsräume für Ärzte und Büroräume für Sekretärinnen, aber keinerlei Räume für die Patientenversorgung. Eine offene Küche, wo man mitgebrachtes Essen in der Mikrowelle warm machen oder einen Vormittagskaffee nehmen konnte, gab es auch.
    Sie hatte allerdings ihr Mittagessen in der Kantine zu sich genommen, wo sie in einer Scholle herumgestochert hatte, die viel essbarer
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