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Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
Autoren: Mary Kay Andrews
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Leichtigkeit, mit der er ihren Arm umklammert und zugedrückt hatte, bis sie vor Schmerz laut aufschrie. Während Don ihr zuflüsterte, was genau er mit ihr anstellen würde, wenn er sie noch einmal dabei erwischte, wie sie in seinen Privatangelegenheiten herumschnüffelte, war sein Gesicht völlig reglos geblieben.
    »Ich bring dich unter die Erde«, hatte er gedroht, und seine blassblauen Augen hatten sonderbar gefunkelt. »Irgendwo, wo dich keiner findet. Keiner wird überhaupt merken, dass du nicht mehr da bist. Erst wenn es zu spät ist. Weder Adam noch deine Mutter, keiner wird wissen, was passiert ist, wo Maryn geblieben ist.« Bei der Vorstellung hatte er gegrinst. Dann hatte er ihren Arm losgelassen, aber nicht ohne vorher den Kopf zu senken und die von ihm verursachten, feurigen roten Striemen zärtlich zu küssen.
    Als sie hörte, dass der Escalade aufheulend die Auffahrt verließ, hatte sie bereits begonnen, ihre Flucht vorzubereiten.
    Sie schloss die Haustür ab und lief in ihr Zimmer. Als sie das Geld aus ihren Ugg-Boots hinten im Wandschrank zog, erkannte sie voller Staunen, dass sie fast sechstausend Dollar angespart hatte. Den Grundstock hatte sie mit zweitausendsiebenhundert Dollar von einer Reise nach Atlantic City im April gelegt, als sie beim Blackjack gewonnen hatte. Don gegenüber hatte sie behauptet, das Geld für Klamotten und Schuhe ausgegeben zu haben. Ihn anzulügen fiel ihr nicht schwer, erschien ihr auch nicht falsch. Das restliche Geld kam häppchenweise dazu, ab und zu ein Zwanziger aus dem Bündel, das Don abends auf die Kommode warf, ein Hunderter gespart von dem Geld, das er ihr für eine neue Jacke gegeben hatte. Fünfhundert Dollar, als sie die lächerlich teure (und hässliche) Uhr, die er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, in ein schöneres Model umtauschte.
    Maryn konnte nicht genau sagen, warum sie die Zwanziger und Fünfziger gehortet hatte. Waren sie wirklich für die Kelly-Bag von Hermès gedacht gewesen, die sie sich gewünscht hatte, oder hatte sie eher den zynischen Tipp ihrer Mutter im Hinterkopf gehabt, der ihr mit einer Zigarette zwischen den blutleeren Lippen erteilt wurde: »Eine Frau muss immer ihr eigenes Geld haben. Immer. Geld zum Durchbrennen.«
    Maryn war dankbar für den einen guten Ratschlag, den ihre Mutter ihr gegeben hatte. Das Packen hatte nicht lange gedauert. Zwanzig Minuten? Maryn war in eine andere Bluse geschlüpft, eine Seidenbluse mit langen Armen, damit man die blauen Flecken an ihrem Arm nicht sah. Und jetzt war sie hier, auf der Straße. Wieder mal.
    Wie lange war sie nun schon unterwegs? Ihre Augen brannten vor Erschöpfung, Arme und Schultern schmerzten. Sie musste bald eine Pause einlegen. Und schlafen. Und etwas essen, auch wenn ihr Magen sich bei dem Gedanken an Essen drehte.
    Sie überquerte die Grenze von Virginia und stellte fest, dass sie nun in North Carolina war. Die Sonne ging auf. Maryn zog die Dior-Sonnenbrille von ihrem Kopf auf die Nase herunter und las im Vorbeifahren ein Plakat, das für ein Motel namens Buccaneer in Nag’s Head warb.
    Nag’s Head. In dem Sommer, nachdem ihr Vater nach Fort Bragg in Fayetteville, North Carolina, versetzt worden war, waren ihre Eltern mit ihr nach Nag’s Head gefahren. Wie alt war sie da gewesen, zwölf? Sie hatten in einem winzigen Motel gewohnt, direkt am Strand, und ihr Vater hatte sie mit zum Angeln an die Mole genommen, nur er und Maryn. Das Motel hatte einen Swimmingpool und ein kleines Café, und sie waren jeden Abend essen gegangen, absoluter Luxus. Einmal hatten sie abends Minigolf gespielt, ein anderes Mal waren sie in einem Vergnügungspark Autoscooter gefahren.
    War das der letzte glückliche Sommer gewesen? Die Scheidung folgte ein Jahr später. Gerade als Maryn sich an der neuen Schule eingewöhnt hatte. Nicht dass sie dort viele Freunde gehabt hätte. Sie war ein ungeschicktes Kind gewesen, bestand nur aus Knien und Ellenbogen, ihr Haar hatte die Farbe von schmutzigem Spülwasser, ihr Kopf war zu groß für den Körper. Maryn hatte sich geschämt, als sie als erstes Mädchen in der sechsten Klasse einen BH brauchte. Ihre Mutter hatte diesen Umstand natürlich gefeiert, indem sie Maryn das engste Oberteil kaufte, das sie finden konnte. »Wer hat, der hat«, sagte sie zu ihr. Um einen Streit zu vermeiden, trug Maryn das Top, zog aber ein weites Shirt darüber, sobald sie das Haus auf dem Weg zur Schule verlassen hatte.
    Gerade hatte sie begonnen, das soziale Miteinander an
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