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0487 - Griff aus dem Nichts

0487 - Griff aus dem Nichts

Titel: 0487 - Griff aus dem Nichts
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Nik Landaron, mit seinen 19 Sommern alt genug, Krieger zu sein, hatte noch nie viel davon gehalten, Argumente dadurch stichhaltig werden zu lassen, daß man dem anderen die Spitze der Schwertklinge an den Hals setzte. Er hatte sich, kaum ins rechte Alter gekommen und initiiert, als Krieger verdingt und war mittlerweile Vizehauptmann. Er wollte noch höher hinaus, er wollte wenigstens General oder aufgrund seiner Verdienste zum Königlichen Miliz-Sekretär ernannt werden; ein Schritt in Richtung aufs Ministeramt. Aber all das wollte er nicht erreichen, um Kriege zu führen, sondern um sie zu verhindern.
    Nur hatte er das vorsichtshalber keinem verraten. Vielleicht hätte er mit seiner Absicht sogar beim König selbst Gefallen gefunden, weil der ohnehin nicht mehr wußte, wie er die sinnlosen Kriege finanzieren sollte und seine Steuereintreiber das Volk schon mehr als erträglich schröpften. Doch der König besaß keine Macht. In seinem Namen wurde gekämpft, verwüstet und geplündert, in seinem Namen wurde verteidigt, aber den Sinn für all die männermordenden Kriege wußte wohl nur die Priesterschaft. Die Brüder vom Stein, die das Volk zwangen, Wesenheiten zu verehren, deren Natur niemand verstand, regierten in Wirklichkeit das Königreich. Sie bestimmten, was geschah, und wenn sie sagten:
    »Krieg!« dann wurde Krieg geführt. Sagten sie »Frieden!«, dann war der Krieg zu Ende. Aber wann beendeten sie ihn schon einmal? Allenfalls, wenn sie feststellten, daß der Feind zu übermächtig war und eine Fortführung der Kämpfe das Land vernichten würde.
    Nik Landaron hatte es schon sehr früh durchschaut. Er hatte einmal einen anderen Namen getragen; er war der Sohn eines Priesters der Brüder vom Stein gewesen. Er hatte die beste Schule genossen, die man sich nur vorstellen konnte. Für den Sohn eines Bruders vom Stein war nichts unmöglich.
    Aber er war zu intelligent, um seinem Vater und den anderen Priestern zu zeigen, wie rasch er begriffen hatte, was geschah. Auch seine Abneigung gegen jede Art von Mord, Totschlag, Krieg und Vernichtung um der Erweiterung der eigenen Macht willen, hatte er sorgfältig verborgen. Er verabscheute die Verlogenheit der Brüder vom Stein, die dem Volk einen geradezu selbstmörderischen, schrecklichen Götzenglauben aufzwangen, nur um herrschen zu können. Früher, hieß es in den alten Erzählungen, habe es die »neuen« Götter nicht gegeben, aber damals sei das Königreich auch winzig und unbedeutend gewesen. Jetzt, unter dem Schutz der mächtigen Götter, wurde es größer und größer.
    Andere Länder wurden bekämpft, andere Völker niedergemetzelt und versklavt. Sofern sie sich das gefallen ließen… ! Und der König war ein Schattenregent in seinem Land. Und niemand merkte es. Das Volk wurde dumm gehalten, nur die Priester und ein verschwindend geringer Teil des Hochadels konnte lesen und schreiben! Wer also jemandem etwas nachweisen wollte, mußte sich auf das gesprochene Wort verlassen. Und das ist so flüchtig wie die Erinnerung.
    Vor drei Jahren war der Priestersohn bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommen. Aus einer Provinzregion tauchte Nik Landaron auf, ein kluger, fähiger junger Mann, der alsbald Karriere machte und ein beliebter Vizehauptmann wurde. Für ihn gab es nur zwei Wege, dem ständigen Kriegführen ein Ende zu bereiten: entweder Priester werden und die Bruderschaft von innen her aufrollen, oder: Sich als Soldat hochdienen und verdient machen, um später als Volksheld öffentlich so viele Wahrheiten verbreiten zu können, daß auch der dümmste Bürger eines Tages erwachen mußte. Bis dahin mußte Landaron aber auch genügend Leibwächter um sich geschart haben, die ein Attentat der Priesterschaft zu verhindern hatten - Selbst ein Volksheld war nicht gegen eine Mörderhand gefeit.
    Die dritte Möglichkeit, nämlich direkt aktiv in die Politik einzusteigen, kam für Nik Landaron nicht in Frage. Er kam praktisch aus dem Nichts; man hätte Fragen nach seinem Vorleben gestellt, die er nicht beantworten konnte und wollte. Bei der Miliz fragte niemand. Da kam es nicht darauf an, wer jemand war oder gewesen war, sondern was er konnte.
    Landaron hoffte, daß er die Macht der Brüder vom Stein eines Tages brechen oder doch wenigstens anschlagen konnte. Aber er wußte auch, daß der Weg zu seinem Ziel lang war. Vielleicht reichte sein ganzes Leben dafür nicht.
    Aber er mußte es tun. Er konnte nicht anders. Denn die Machenschaften der Priester
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