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Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
Autoren: Mary Kay Andrews
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für sie gab aufzustehen.
    Es folgte eine Woche der Trauer. Zwei Tage lang duschte sie nicht, lief in einer schäbigen Yogahose und Sweatshirt herum, ernährte sich von einer eintönigen Kost aus Cornflakes und sah fern, weil sie es nicht ertrug, aus dem Haus zu gehen. Wohin sollte sie auch wollen? Nach sieben Tagen Selbsttherapie hatte sie sich dank der Wiederholungen der Dr. Phil Show gezwungen, vor die Tür zu gehen und das iPhone zu kaufen. Sie erstand sogar eine schicke rosa Gummihülle dafür.
    Da Ellis nie eine andere E-Mail-Adresse besessen hatte als die bei BancAtlantic, richtete sie sich ein Konto bei Hotmail ein und verkündete allen, die sie kannte und deren Kontaktdaten sie Gott sei Dank mal irgendwo aufgeschrieben hatte, dass sie eine neue Adresse habe. Es folgten die unvermeidlichen alarmierten Nachfragen von Freunden, die wissen wollten, was passiert sei.
    Ellis konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass man sie bemitleidete, da sie bereits in Selbstmitleid ertrank, deshalb formulierte sie eine schwungvolle Antwort: »Berufliche Umorientierung zur Lebensmitte. Zeit zum Innehalten und Ausprobieren. Näheres folgt.«
    Aber es gab nichts Näheres. Noch nicht. Dieser Urlaub mit ihren Freundinnen, den sie seit April geplant hatte, als sie sich bei der Beerdigung von Julias Mutter in Savannah trafen, war das Einzige, das Ellis seit der Kündigung aufrecht hielt. Eine leise, beharrliche Stimme in ihrem Hinterkopf sagte immer wieder, sie hätte die Reise absagen und das Geld sparen sollen, hätte sich mit Leib und Seele dem Vorhaben widmen sollen, sich wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen.
    Doch sie hatte der leisen, beharrlichen Stimme ihre Antwort entgegengeschmettert: Halt die Schnauze!
    Es war fast August. Auf gar keinen Fall würde sie diesen Strandurlaub absagen.
    Und jetzt war sie hier, saß in einem Restaurant in Nag’s Head, North Carolina, und hatte einen Teil ihrer Abfindung bereits verbraucht. Es war ihr egal. In den vergangenen fünf Jahren hatte sie sich jedes Jahr genau eine Woche Urlaub gegönnt, den sie Weihnachten mit ihrer Mutter und ihrer Tante in deren Eigentumswohnung unten in Sarasota verbrachte, wo sie sich anhören durfte, wie ihre Mutter sich mit Tante Claudia stritt.
    Im April hatte Ellis neben Julia in der ersten Reihe der Kirche zum Heiligen Sakrament in Savannah gesessen. Dorie war auf der anderen Seite von Julia, daneben Willa. Booker, Julias langjähriger Freund, hatte nicht von London herkommen können. Die vier Frauen hielten sich an den Händen, als ein junger Priester namens Father Tranh, den keine von ihnen kannte, die Trauermesse für Catherine Donohue Capelli las. Später, als alle Trauergäste gegangen waren, hatten die Freundinnen im Haus der Capellis ihre Beerdigungskleidung ausgezogen, waren in Pyjamas geschlüpft und hatten sich auf das Doppelbett in Julias altem Kinderzimmer gefläzt, so wie früher immer am Freitagabend. Diesmal hatten sie eine Menge Cosmopolitans getrunken, statt wie damals leichtes Bier zu trinken, das sie aus Mr Capellis Bierkühlschrank in der Garage stibitzten.
    Da hatten sie dann den Plan ausgebrütet. Sie wollten sich nicht mehr nur auf Beerdigungen treffen. Ellis’ Vater war zwei Jahre zuvor gestorben, und wie lange war Mr Capelli schon tot? Sechs Jahre? So ginge es nicht weiter, hatte Julia erklärt und ihr leeres Glas geschwenkt.
    »Wir werden zusammen verreisen«, verkündete sie. »Ans Meer. Wir alle gemeinsam.« Sie hatte zu Dorie hinübergeschaut, die als Letzte geheiratet hatte, und bedeutungsschwer hinzugefügt: »Nur wir Mädels.«
    Mit der Vorbereitung des Urlaubs hatten sie Ellis betraut – die Organisatorin, die Planerin, die allzeit tüchtige Ellis. Und genau das hatte sie getan. Jetzt stand sie arbeitslos da, aber vor ihr lag der ganze Monat August, den sie mit ihren besten Freundinnen in einem Ferienhaus verbringen wollte. Und mit Willa, Dories Schwester, die sich einfach dazugeladen hatte.
    Die Aussicht rief bei Ellis einen angenehmen Schwindel hervor. Die goldenen Sommer der Jugend waren die schönsten ihres Lebens gewesen. Ellis, Dorie und Julia waren damals unzertrennlich, hatten mehrere Wochen am Stück im großzügigen Landhaus von Julias Großmutter in Tybee verbracht, tagsüber faul am Strand gelegen und sich abends stundenlang zum Ausgehen fertig gemacht.
    Dorie hatte immer einen Schwarm potentieller Freunde um sich geschart, daher waren sie stets in einer großen Gruppe unterwegs gewesen,
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