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Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
Autoren: Mary Kay Andrews
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verkündete die wohlklingende Frauenstimme fröhlich: »Sie haben Ihr Ziel erreicht. Ihr Ziel liegt auf der linken Seite.«
    Ellis fuhr langsamer und schaute hinüber. Eine lange betonierte Auffahrt voller Schlaglöcher und Risse verlief sich in einer unkrautbewachsenen Sandfläche. Am Straßenrand stand ein Briefkasten mit einem von der Sonne gebleichten Zedernholzschild in Form eines Wals. Ebbtide war in verblassten weißen Buchstaben auf das Schild geschrieben. Die Auffahrt endete vor einer zweistöckigen Garage, verkleidet mit gräulich-braun verwitterten Holzschindeln. Durch die geöffneten Garagentore konnte Ellis einen abgenutzten rehbraunen Bronco erkennen, auf dessen Dachgepäckträger ein rotes Surfbrett geschnallt war.
    Neben der Garage erhob sich ein ausladendes zweistöckiges Haus auf Holzrahmenwerk, zu dem eine Treppe hinaufführte. Entlang der Fassade zog sich eine lange, offene Veranda. Mehrere Schaukelstühle standen nebeneinander, ein fröhlich gestreiftes Strandlaken hing achtlos über dem Geländer. Neben dem Haus führte ein Holzsteg über eine hohe Düne.
    Aus einem Impuls heraus fuhr Ellis mit dem Wagen in die Einfahrt des Nachbargrundstücks, auf dem sich allerdings kein Haus befand. Nur die verkohlten Überreste eines Betonfundaments und einige geschwärzte Holzbalken waren zu sehen. Ein Schild mit der Aufschrift Betreten verboten in schwarz und orange hing an einem Mauerrest. Ellis parkte den Accord. Als sie ausstieg, protestierten ihre steif gewordenen Beine und der Rücken. Die Luft war bereits warm und schwül. Ellis machte ein paar Kniebeugen und suchte den Nachbargarten nach Lebenszeichen ab. Waren ihre Vormieter bereits ausgezogen? Oder gehörte der Bronco in der Garage jemandem, der noch die letzten ein, zwei Stunden am Strand genoss, ehe es Zeit war, die Sachen zusammenzupacken und nach Hause zu fahren?
    Ellis schlenderte zum Briefkasten und spähte zum Haus hinüber – das gemeinsame Heim von ihren Freundinnen und ihr, zumindest im Monat August. Ellis hatte sich vorgenommen, jede Stunde dieses Monats zu genießen.
    »Ebbtide«, las sie laut, zufrieden, dass das Haus zumindest von außen mit dem Foto übereinstimmte, das sie bei der Ferienhausvermietungsbörse im Internet gesehen hatte. Sicher, auf dem Bild hatte man einen einladend grünen Rasen, blaue Hortensienbüsche und ein leuchtend rosa Tandem mit einem bezaubernden Korb bestaunen können, das an einem rosenbewachsenen Gartenzaun lehnte. Nichts dergleichen war jetzt zu sehen. Das Einzige, was auf dem Gelände – das wohl den Garten darstellte – zu entdecken war, waren eine kaputte Styropor-Kühlbox mit leeren Bierdosen und ein klatschnasser Haufen vergilbter Zeitungen, die noch in ihren Plastikhüllen steckten. Außerdem war hier eine Rekordmenge an Unkraut zu jäten.
    Ellis schaute auf die Uhr. Bis zum Einzug hatte sie noch einen halben Tag totzuschlagen. Fürsorglich, wie sie nun mal war, hatte sie geplant, vor den anderen einzutreffen. Die zusätzliche Zeit gab ihr nun die Möglichkeit, einkaufen zu gehen, das Essen für den ersten Abend zu besorgen und das Haus vorzubereiten. Wäsche war nicht in der Miete enthalten, daher hatte Ellis ausreichend Bettwäsche und Handtücher für alle mitgebracht, nur für den Fall. Außerdem hatte sie jetzt den Vorteil, als Erste ihr Zimmer wählen zu können, aber da sie die gesamte Planung übernommen hatte, das Haus ausgesucht und den Urlaub gebucht hatte, sollte das ja wohl niemanden stören.
    Nun ja, höchstens Willa. Sie war nur knapp zwei Jahre älter als die anderen Frauen, konnte aber unglaublich herrisch und rechthaberisch sein. Es wäre typisch für Willa gewesen, Ellis vorzuwerfen, sich das beste Schlafzimmer unter den Nagel gerissen zu haben. Was sie gar nicht vorhatte. Ellis wollte nur kein Zimmer, das auf die Straße ging und sehr laut war. Sie hatte einen leichten Schlaf – und sie hatte viel nachzudenken. Außerdem war sie als einziger Single der Gruppe daran gewöhnt, Platz für sich zu haben. Zu sehr daran gewöhnt, dachte sie bitter.
    Ellis konnte es kaum erwarten, sich Ebbtide näher anzusehen. Sie schaute die Straße hoch und runter. Keine Fahrzeuge in Sicht. Ein verschlafener Sommermorgen am Meer, so wie jeder andere. Es konnte doch wohl niemanden stören, wenn Ellis die Auffahrt des abgebrannten Hauses hochging und sich mal umsah, oder? Theoretisch war das Betreten verboten, das wusste sie. Aber es war ja nicht so, dass sie das Nachbargrundstück
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