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Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
Autoren: Mary Kay Andrews
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fuhren die Küstenstraße im dicken Fleetwood Caddie von Julias Mutter hoch und runter, und niemand hatte sich daran gestört, dass Ellis keinen Freund hatte. Der Caddie war weiß, hatte ein Schiebedach und das Ersatzrad auf den Kofferraum montiert – ein totaler Angeberwagen, was alle zum Schreien komisch fanden: dass Julias fromme Mutter einen Zuhälterschlitten fuhr. Sie liebten den Fleetwood, weil er mit seinen großen Ledersitzen sechs bis sieben Personen Platz bot. Die Mädchen ließen die Scheiben herunter, drehten ihr Lieblingslied auf höchste Lautstärke und grölten den Refrain aus vollem Hals – » Whoomp! There It Is! « Der Fleetwood schaukelte im Takt des schweren Basses.
    Anschließend gingen sie tanzen in einen Club, dessen Namen Ellis längst vergessen hatte, doch sie konnte sich noch an den Jungen erinnern, den sie am letzten Sommerwochenende vor ihrem zweiten Jahr am College kennengelernt und mit dem sie die Abende durchgetanzt hatte. Er hieß Nick und ging zum Boston College, und sie hatte sich nur zu gerne von ihm streicheln lassen, als sie sich zu »I Swear« in den Armen lagen. Ellis erlaubte sich die Vorstellung, es sei Nick, der ihr versprach – beim Mond und den Sternen am Himmel –, sie ewig zu lieben. Dann hatte die Schule begonnen, Nick hatte noch ein paar E-Mails geschrieben, dann kam nichts mehr.
    Ellis schaute auf ihr iPhone. Sie öffnete eine neue Mail und gab die Adresse ein.
An: [email protected]
Von: [email protected]
Lieber Mr Culpepper, mir ist durchaus bekannt, dass meine Gruppe heute nicht vor zwei Uhr in Ebbtide einziehen kann, aber zufälligerweise bin ich früher als geplant in der Gegend und wollte fragen, ob es möglich wäre, schon früher ins Haus zu können? So gegen Mittag? Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar. Mit freundlichen Grüßen, Ellis Sullivan.
    Sie drückte auf »Senden« und hörte kurz darauf das leise zischende Geräusch, das die Versendung ihrer Nachricht akustisch nachahmte. Nicht zum ersten Mal stellte sie sich Mr Culpepper vor: ein freundliches altes Hutzelmännchen in einem ausgeblichenen, aber gestärkten Hawaiihemd, die staksigen Knie in einer Bermuda mit Madraskaro, dazu schwarze Socken und abgetretene Sandalen. Sein Gesicht war wettergegerbt, der Kopf fast kahl. Er würde Ellis und ihre Freundinnen auf der Stelle ins Herz schließen und sie »Schätzchen« oder »Süße« nennen.
    Sie konnte es nicht erwarten, Mr Culpepper persönlich kennenzulernen.

3
    Maryn fuhr gen Süden, wechselte zwischen der Interstate und gewundenen Landstraßen, ohne ein besonderes Ziel im Kopf zu haben. Fort. Das war die einzige Richtung, in die sie wollte. Fort von daheim, von den wenigen Angehörigen, die sie noch hatte. Fort von Biggie. Das tat richtig weh. Aber daran konnte sie nichts ändern. Noch immer sah sie Biggies flehende braune Augen vor sich, die ihr nachgeschaut hatten, als sie durchs Haus huschte und ihre Sachen in eine Reisetasche packte. Er war ihr von einem Zimmer ins nächste gefolgt, und als sie fertig war, hatte er an der Hintertür auf sie gewartet, die rote Lederleine in der Schnauze, überzeugt, sie würde jetzt mit ihm Gassi gehen.
    Es brach ihr das Herz, Biggie zurückzulassen. Sie hatte sich eingeredet, der alternde Golden Retriever würde schon zurechtkommen. Don würde ihm nichts zuleide tun, nicht mal, um sich an Maryn zu rächen. Er liebte Biggie von ganzem Herzen, hatte ihn als Welpen bekommen. Biggie war für Maryn da gewesen, und nach ihr wäre Don für den Hund da. Oder nicht? Wie auch immer, wichtig war, dass sie fort musste. Fort von ihm. Und das bedeutete, Biggie zurückzulassen.
    Bei dem Gedanken an Don drehte Maryn den Diamanten an ihrem Ringfinger. So oft hatte sie ihm das Schmuckstück an den Kopf werfen wollen, hatte sagen wollen, ja, damit hast du mich gekauft. Er hatte das Geschäft seines Lebens gemacht. Fast hätte sie den Ring zurückgelassen, zusammen mit ihren anderen Habseligkeiten, doch im letzten Moment beschloss sie, ihn weiter zu tragen, als Mahnung – als ob das nötig gewesen wäre! –, wie leicht und billig sie sich an den Teufel verkauft hatte.
    Maryn blickte kurz auf ihren Arm hinunter. Verborgen unter dem Stoff waren die schmerzenden, hässlich violetten Flecken, die ihren linken Unterarm wie ein Armband zierten. Noch eine Erinnerung an den wahren Don Shackleford. Sie würden verblassen, das wusste Maryn, doch sie zweifelte, dass sie jemals seinen eiskalten Zorn vergessen würde, die
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