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Zoë

Titel: Zoë
Autoren: C Carmichael
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    Menschen, dachte der Kater – ständig müssen sie graben und vergraben, genau wie Hunde.
    An dem Tag, als das Mädchen kam, waren wieder einmal Männer dabei, im Wald unterhalb des Hauses ein Loch zu graben. Geduldig wartete der Kater am Hang, in der Hoffnung auf einen Maulwurf zum Abendessen. Kaum war das Loch fertig, schob sich der lange Wagen wie eine schwarze Rattennatter in die Einfahrt, kroch in langen Windungen über die Wiese, zwischen den Wildblumen und den seltsamen Ungetümen des Mannes hindurch. Schwarz gekleidete Männer wie große Raben hoben eine lange Kiste aus dem Auto, trugen sie auf den Schultern den bewaldeten Hang hinab und stellten sie in dem kleinen Steingarten ab.
    Der Kater hatte dieses Hunderitual schon früher beobachtet: Das erste Mal lag lange zurück, da war er ein Kätzchen, und die zwei alten Leute lebten noch auf dem Hof. Die alte Frau hatte ihm immer Untertassen mit Milch auf die Veranda gestellt, doch damit war Schluss, nachdem jene erste Kiste in die Erde gelassen wurde. Später, als die Raben eine zweite Kiste neben der ersten begraben hatten, war auch der alte Mann verschwunden. Dann war der Mann gekommen, der jetzt in dem Haus wohnte, und das Graben und Vergraben hörte auf, bis zum letzten Sommer, als die Raben zurückkehrten und dem Mann halfen, eine dritte Kiste in die Erde hinabzulassen.
    Als er das Geräusch von knirschendem Kies hörte, drehte der Kater sich um und beobachtete, wie der schwarze Wagen ganz langsam auf der Wiese herankam. Wie schon zuvor mühten sich schwarz gekleidete Männer mit einer langen Kiste ab, schafften sie den Hang hinunter und ließen sie an Seilen in die Erde. Anschließend überließen sie es denen, die zuvor das Loch gegraben hatten, es wieder mit Erde aufzufüllen, so wie Hunde, die einen gewaltigen Knochen vergruben.
    Als alle gegangen waren, schlich der Kater nach unten, duckte sich unter dem Zaun hindurch und landete mit einem Satz auf dem Erdhaufen. Über ihm sang ein Rotkardinal auf der Suche nach einem Weibchen, und hoch oben in den Baumkronen sprang ein Eichhörnchen von Ast zu Ast. Der Kater atmete tief ein und genoss die seltene Ruhe.
    Der Mann – groß, brummig, mit einem Schmutzfleck auf der Nase – war schon vor Tagesanbruch weggefahren. Vor Jahren, als er angekommen war, mit seinen kreischenden Maschinen und Bergen von laut schepperndem Metall im Anhänger hinter dem Transporter, war der Kater in die Wälder geflüchtet. Doch seit er älter und langsamer geworden war, hatten die seltsamen Gewohnheiten des Mannes durchaus auch Vorteile.
    Sicher, tagein tagaus störte der Mann die Stille, wenn er in seiner Werkstatt war und hämmerte und polterte, Feuer machte und Funken schlug, riesige verzerrte Figuren schmiedete, die sich im Kreis drehten, wenn der Wind sie antrieb, wenn er bei der Arbeit fluchte und schimpfte und Werkzeug über den Hof schleuderte. Leise war er nur, wenn er schlief, und das geschah eher selten.
    Andererseits hielt der Mann sich fern von den geliebten Wäldern des Katers, mied den kalten, durstlöschenden Bach im Süden und machte einen Bogen um das hohe Gras, in dem der Kater jagte oder sich verbarg, wenn Waschbären, Jäger oder der wilde Junge unbefugt das private Gelände betraten. Das Beste aber war, dass der Mann den Kriechkeller unter dem Haus offen ließ, sodass der Kater im Winter bei der Heizungsanlage und in heißen Sommern auf der kühlen Erde schlafen konnte. Doch seit dem letzten Vollmond hatten der Mann und seine Helfer damit begonnen, Haus und Garten in Ordnung zu bringen, zu hämmern, zu mähen, zu schneiden, und der Kater hatte das Gefühl, dass sein Leben sich bald ändern würde.
    Er hörte den röhrenden Motor des Transporters, der dem Mann gehörte, und bald danach raschelte das Laub über ihm. Er duckte sich hinter einen Stein. Ein Kind, ein Mädchen – schmal, mit wilden Haaren und großen, neugierigen Augen –, stand oben am Hang, und die grelle Sonne bildete einen hellen Ring um seinen Kopf. Es stand dort ein Weilchen und blickte hinunter, doch als der Mann rief, lief es über die Wiese zum Haus.
    In gehörigem Abstand und immer im hohen Gras verborgen, folgte ihm der Kater. Das Mädchen winkte dem Mann auf der Veranda des Bauernhauses zu, und ein Schwarm Goldzeisige, der gerade zwischen den Wildblumen auf Futtersuche war, flog erschrocken auf. Laut zwitschernd schwangen sich die Vögel in die Luft, und mit erstauntem Blick sah das Mädchen ihnen nach. Auf die gleiche Art wie
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