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Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
Autoren: Mary Kay Andrews
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ihrer neuen Schule zu begreifen, als ihre Mutter sie im Mai in den ausgebleichten blauen Buick lud und verkündete, sie würden Tante Patsy in New Jersey besuchen. »Wenn du glaubst, dass ich in diesem elenden Loch von Stadt bleibe, während dein Vater mit seiner Hurentusse durch die Gegend marschiert, dann ist dir nicht zu helfen«, sagte Mama, legte den Rückwärtsgang ein und rumste gegen den Briefkasten am Ende der Auffahrt. Sie stieg nicht mal aus, um einen Blick auf ihre zerdrückte hintere Stoßstange zu werfen.
    Ein Besuch in New Jersey? Es war wohl eher ein Einzug bei der älteren Schwester ihrer Mutter gewesen, bei Tante Patsy, Teilzeitfrisöse und Vollzeitsäuferin. Im Herbst hatte Maryn die Pubertät hinter sich gebracht und war auf die Junior Highschool gekommen, fünf Zentimeter größer. Sie trug B-Körbchen, eine enge Jeans mit Acid-Waschung und dank Tante Patsy eine prächtige blonde Mähne. Ebenfalls im Herbst gesellte sich Maryns Mutter zu Tante Patsy im Frisörsalon – und im Spirituosenladen.
    Maryns erste Wochen an der Junior High waren ein Triumph gewesen. Eine zierliche Brünette namens Brooke saß im Klassenzimmer vor ihr, hatte Mitleid mit der Neuen und lud sie ein, beim Mittagessen in der Cafeteria am Tisch der beliebten Mädchen zu sitzen. Sie wurde zu Pyjamaparties und zum Eislaufen eingeladen und hatte jeden Abend viele Stunden mit Brooke telefoniert, hatte durchgesprochen, wer wen mochte. Ihre Mutter und ihre Tante hatten Maryns neue Beliebtheit in jeder Sekunde genossen.
    Im Oktober war Maryn zu ihrer ersten Veranstaltung mit Jungs eingeladen worden, einer Halloweenparty. Die Einladung löste bei ihrer Mutter und Tante Patsy eine rauschhafte Einkaufswut und Näherei aus. Am fraglichen Abend stolzierte Maryn mit einer hoch aufragenden schwarzen Perücke in Heather Palumbos Kellerbar, gekleidet in ein fließendes, langärmeliges schwarzes Etuikleid mit tiefem Ausschnitt. Ihr Gesicht war mit Theaterschminke weiß gemacht, ihre Augen mit schwarzem Eyeliner umrandet, die Lippen blutrot bemalt, dazu trug sie passende zentimeterlange, falsche rote Fingernägel.
    Noch so viele Jahre später konnte sich Maryn erinnern, welche Wirkung ihr Auftritt bei jener Feier gehabt hatte. Brooke, Heather und Colleen in ihren Pudelröcken aus den Fünfzigern, Söckchen mit Volants und Pullis mit aufgedruckten Buchstaben bildeten einen Kreis um Maryn und starrten sie an, als sei sie gerade von einem anderen Planeten heruntergefallen. »Was soll das denn sein?«, fragte Colleen und stützte die Hände in die Hüften.
    »Weißt du nicht?«, fragte Maryn erstaunt. »Elvira, die Königin der Dunkelheit. Aus dem Fernsehen!«
    »Du siehst aus«, spottete Heather, »wie eine Nutte.«
    Maryns Wangen brannten vor Scham. Sie huschte nach oben, wollte ihre Mutter anrufen und sie bitten, sie früher abzuholen, doch Mama und Patsy hatten Maryn lediglich bei der Party abgesetzt und waren direkt weitergefahren nach Harlow, in ihre Lieblingskneipe.
    Als Maryn in den Keller zurückkehrte, stellte sie fest, dass die Mädchen ihr buchstäblich den Rücken zukehrten. Mit den Jungen hingegen lief es anders. Sie scharten sich um sie, lachten und redeten zu laut, brachten ihr Cola und forderten sie zum Tanzen auf. In gefühlten fünf Minuten war sie die Schönheit des Abends und gleichzeitig die Schulschlampe geworden – je nach Geschlecht des Betrachters.
    Brooke und Colleen riefen jetzt nicht mehr an, dafür nahmen Alex, Nathan und Jordan, ein Junge aus der Achten, ihre Stelle ein. Anfangs war Maryn erschüttert, Brooke als Freundin verloren zu haben. Doch ihre Mutter und ihre Tante genossen Maryns neuen Status als Femme fatale.
    »Diese albernen Weiber hast du doch gar nicht nötig«, sagte Tante Patsy. »Die sind alle nur neidisch auf dich, weil du hübscher bist und weil die Jungs dich mehr mögen als sie.« Als Maryn im Laufe der Wochen und Monate klar wurde, dass sie eine überraschende Macht über das andere Geschlecht besaß, kam sie zu dem Schluss, dass sie Jungs durchaus mochte.
    Nicht dass sie es gut fand, keine beste Freundin zu haben. Als Tante Patsy am Anfang von Maryns zweitem Jahr an der Highschool ihre Stelle im Stylesetter Salon verlor, so dass sie gezwungen waren, in ein kleineres Mietshaus in einem anderen Schulbezirk zu ziehen, beschloss Maryn, sich neu zu erfinden.
    Bevor die Schule wieder begann, trieb sie sich im Einkaufszentrum herum, um herauszufinden, wie sich die anderen Mädchen kleideten. Sie
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