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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Autoren: James S. A. Corey
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PROLOG     Manéo
    Manéo Jung-Espinoza, von seinen Freunden auf der Ceres-Station Néo genannt, kauerte im Cockpit des kleinen Schiffes, das er Y Que genannt hatte. Nach fast drei Monaten Flugzeit blieben nur noch etwa fünfzig Stunden, bis er Geschichte schreiben würde. Das Essen war ihm schon vor zwei Tagen ausgegangen, und der Wasservorrat beschränkte sich auf einen halben Liter recycelte Pisse, die schon ziemlich oft die Runde durch seinen Kreislauf gemacht hatte. Alles, was er entbehren konnte, war bereits abgeschaltet. Den Reaktor hatte er heruntergefahren. Nur die passiven Monitore liefen noch, die aktiven Sensoren waren tot. Das einzige Licht im Cockpit stammte von der Hintergrundbeleuchtung der Terminals. Die Heizdecke, in die er sich gewickelt hatte, klemmte unter den Gurten, damit sie nicht fortschwebte. Sie war nicht einmal mit dem Stromnetz verbunden. Die Rundruf- und Richtstrahlsender waren deaktiviert, und den Transponder hatte er bereits zerstört, ehe er überhaupt den Namen auf den Schiffsrumpf gemalt hatte. Schließlich wollte er keinen so weiten Flug antreten, um am Ende doch noch die Flottillen durch ein versehentlich abgestrahltes Signal auf sich aufmerksam zu machen.
    Fünfzig Stunden – oder etwas weniger –, und das Einzige, was er zu tun hatte, war, nicht aufzufallen. Und natürlich durfte er nicht mit irgendeinem Objekt zusammenprallen, aber das lag in las manos de Dios .
    Vor drei Jahren, kurz vor seinem fünfzehnten Geburtstag, hatte ihn seine Cousine Evita in die Untergrundgesellschaft der Slingshots eingeführt. Er hatte im Wohnloch seiner Familie herumgehangen, seine Mutter hatte in der Wasseraufbereitungsanlage gearbeitet, und sein Vater hatte sich mit einem ihm unterstellten Wartungstrupp in der Stromversorgung getroffen. Néo war daheim geblieben und hatte zum vierten Mal in diesem Monat die Schule geschwänzt. Als das System einen Besucher meldete, nahm er an, es seien die Wachleute der Schule, die ihn zur Rechenschaft ziehen wollten, weil er blaugemacht hatte. Stattdessen stand Evita vor der Tür.
    Sie war zwei Jahre älter und die Tochter seiner Tante. Eine echte Gürtlerin. Er und sie hatten die gleichen schmalen Körper, doch nur sie stammte wirklich von dort. Auf der Stelle hatte er sich in sie verknallt und träumte seitdem davon, wie sie aussah, wenn sie sich auszog. Wie es sich anfühlte, sie zu küssen. Jetzt war sie da, und er war allein zu Hause. Sein Herz beschleunigte auf dreifache Geschwindigkeit, noch ehe er die Tür geöffnet hatte.
    »Esá, unokabátyja«, sagte sie lächelnd und deutete mit einer Hand ein Achselzucken an.
    »Hoy«, antwortete er und gab sich Mühe, cool und lässig zu wirken. Er war genau wie sie in der riesigen Weltraumstadt der Ceres-Station aufgewachsen, doch sein Vater hatte den kleinen, gedrungenen Körperbau eines Erders. Den kosmopolitischen Dialekt des Gürtels sprach er mit dem gleichen Recht wie sie, doch bei ihr klang es viel natürlicher. Er selbst kam sich dabei immer vor, als zöge er eine fremde Jacke an.
    »Ein paar coyos treffen sich unten auf der Backbordseite. Silvestari Campos ist wieder da«, verkündete sie. Die Hüfte hatte sie vorgeschoben, der Mund war seidenweich, die Lippen glänzten. »Kommst du mit?«
    »Que no?«, hatte er geantwortet. »Hab sowieso nichts Besseres zu tun.«
    Später überlegte er sich, dass sie ihn vermutlich nur mitgenommen hatte, weil Mila Sana, eine Marsianerin mit einem Pferdegesicht, die etwas jünger war als er, auf ihn abfuhr. Vermutlich hielten die anderen es für lustig, dem hässlichen Mädchen von dem inneren Planeten zuzuschauen, wie es hinter dem Halbblut hertrabte, aber das war ihm egal. Er war Silvestari Campos schon einmal begegnet und wusste, was ein Slingshot-Manöver war.
    Es lief folgendermaßen: Ein coyo bastelte sich ein Schiff zusammen. Vielleicht aus Bergungsgut, vielleicht ergaunert. Ganz ohne gestohlene Teile ging es nicht. Es brauchte nicht mehr als einen konventionellen Verbrennungsantrieb, eine Druckliege und genügend Luft und Wasser, um loszufliegen. Dann kam es nur noch darauf an, die Flugbahn zu berechnen. Ohne Epstein-Antrieb verbrannte der konventionelle Antrieb die Treibstoffkapseln viel zu schnell, um ein weit entferntes Ziel zu erreichen. Wenn man das wollte, brauchte man Hilfe. Der Trick bestand darin, den Kurs so zu berechnen, dass der Schub des viel zu schnell verbrauchten Treibstoffs das Schiff in ein Schwerkraftfeld beförderte, wo es von dem
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